(… aus dem Newsletter. Eine ausführlichere Version findet ihr in meinem neuesten Buch „Anker im Jetzt“.)
Liebe Leute, was hilft bei Schmerzen?
Als erstes fallen uns Schmerzmittel ein. „Zu Risiken und Nebenwirkungen fragen Sie Ihren Arzt oder Apotheker.“
Wahrscheinlich die zweithäufigste Maßnahme ist der Versuch, sich abzulenken. Auch das kann hilfreich sein, funktioniert aber nur bei leichten bis mäßigen Schmerzen. Und diese ersten beiden Methoden gehen nicht auf die Ursache des Schmerzes ein, sondern nur auf das Symptom selbst.
Es ist aber sinnvoll, die Funktion des Schmerzes zu klären: ihn als Ausdruck und Erscheinungsform eines wichtigen und legitimen Bedürfnisses zu würdigen.
Der Schmerz kann ein Warnsignal sein („Vorsicht bei dieser Bewegung!“; „Das ist zu viel Stress!“), ein Hinweis auf eine Störung inkl. Handlungsaufforderung („Geh zum Zahnarzt! Nein, nicht irgendwann!“), ein Hilferuf oder ein Ruf nach Aufmerksamkeit.
Dieses Anerkennen der „guten Absicht“ und die Entwarnung, nachdem sie erfüllt ist (oder eine sanftere Möglichkeit, sie zu erfüllen), kann z.B. durch direkte Kommunikation mit dem Symptom (-Verursacher) geschehen.
Dafür bietet NLP Techniken wie das 6-Stufen-Reframing, das ich hier auf zwei Schritte reduzieren möchte:
2. Finde bessere Möglichkeiten, dieses Bedürfnis zu erfüllen.
(Zum Beispiel: „Ok, ich werde mir öfters Ruhe gönnen, dazu brauche ich keine Migräne mehr.”)
Selbst wenn die Funktion des Schmerzes erfüllt ist, d.h. der Schmerz „eigentlich“ unnötig geworden ist, besteht er leider oft noch weiter fort, weil es keine klare „Entwarnung“ gab (die Entwarnung, die eben durch „direkte Kommunikation” kommen kann).
Außerdem gibt es im Gehirn das so genannte „Schmerz-Gedächtnis”, d.h. die neuronale Verknüpfung (die Schmerzbahn) wird immer stabiler.
Dann braucht es nur noch wenig Reiz vom eigentlichen Ort des Schmerzes, damit das Gehirn sagt: „Oh, das kenne ich!” und den Schmerz automatisch verstärkt.
Was hilft, um aus diesem Automatismus herauszukommen, ist Aufmerksamkeit.
Arten der Aufmerksamkeit
Wir geben diese Aufmerksamkeit oft nur widerwillig, unfreiwillig. Klar, wir wollen keine Schmerzen. Und wenn unsere Aufmerksamkeit vom Schmerz erzwungen wird, dann fühlen wir uns ohnmächtig, ausgeliefert.
Dieser Widerstand gegen den Schmerz („Der soll einfach nur weg sein!“), diese erzwungene Aufmerksamkeit äußert sich oft als zusätzliche Anspannung um den Schmerz herum, die ihn noch verschlimmert und festhält.
Dazu kommt noch die gedankliche Ausdehnung des Schmerzes in Vergangenheit („Schon wieder!“, „Immer noch!“) und Zukunft („Das wird immer schlimmer, wie soll das nur weitergehen!“), was auch wieder zu mehr Anspannung führt und den Schmerz endlos und unerträglich erscheinen lassen kann.
Soweit die „problematische“, widerwillige Aufmerksamkeit.
Ganz anders wirkt aber freundliche Aufmerksamkeit.
Wir erleben das im Kontakt mit anderen sehr deutlich: Wenn wir uns mit einem Problem an jemanden wenden, woraufhin der uns genervt anschaut (oder genervt wegschaut) und stöhnt: „Oh Mann, was ist denn jetzt schon wieder?! MUSS das sein?!“ … dann macht uns das wahrscheinlich nicht gerade locker, entspannt und flexibel, sondern es lässt uns im momentanen Problem-Zustand einfrieren.
Das könnt ihr gern mal mit einem Kind testen. (Gell, das würdet ihr nie machen!! So was tun wir eher uns selbst an …)
Wenn wir aber ein Kind mit (körperlichen oder emotionalen) Schmerzen zu uns kommen lassen und ihm bereitwillig zuhören, dann hat allein schon diese liebevolle, offene Aufmerksamkeit eine entspannende, lösende, heilende Wirkung.
Diese Art von Aufmerksamkeit gibt es in vielen Varianten: Neugier, Forschergeist, Entdeckerfreude, Spielen, Staunen, Verliebtheit, …
All diesen Spielarten der Aufmerksamkeit ist die freiwillige, interessierte Zuwendung gemeinsam.
Dies ist unser natürlicher Lern-Modus: der Zustand, in dem der Organismus eingefahrene Bahnen verlässt, um etwas Neues zu erfahren und auszuprobieren.
(Deswegen funktioniert Lernen mit Freude so viel besser als Lernen unter Zwang.)
Ist es ein Ziehen oder eher ein Druck? Von innen nach außen oder umgekehrt? Ist es ein Pulsieren – in welchem Tempo / Rhythmus? Wie ist die Temperatur: heiß / warm oder kalt / kühl?
Wo genau ist es im Körper lokalisiert? Wo ist das Zentrum? Wie ist der Rand: scharf abgegrenzt oder unscharf oder wie an einem Meeresstrand?
Diese Art der Erforschung löst in ganz vielen Fällen schon viel vom Schmerz – vor allem, wenn wir sie nicht nur als Trick einsetzen, um den Schmerz loszuwerden, sondern uns ihm mit ehrlichem Interesse zuwenden, als etwas, das ja unser eigener Körper in bester Absicht „macht“.
Es kann übrigens (in der Arbeit mit Patienten und auch in unserem inneren Selbstgespräch) hilfreich sein, vom Begriff „Schmerz“ abzulassen (der den Zustand fixiert) und stattdessen vom „Ziehen“ oder von der „Empfindung“ zu sprechen, so dass die negative Bewertung weggelassen wird und Änderungen in der Empfindung leichter möglich werden. Denn es liegt ja in der Natur von Empfindungen, dass sie sich ständig ändern.
Wir haben jetzt also statt z.B. „Kopfschmerzen“ eine Beschreibung wie „ein pulsierender Druck in der Mitte der linken Kopfhälfte mit Zentrum hinter dem linken Auge; es pulsiert ungefähr einmal pro Sekunde nach außen und strahlt bis zum Nackenansatz und zur Stirnmitte aus und hat die Form eines Balls. Der Ball hat einen Durchmesser von vielleicht 3 cm und dehnt sich im Pulsieren aufs Doppelte aus.“
Das klingt nach „Ja toll, na und?“ – ist aber wie gesagt meistens schon die halbe Miete (und manchmal die ganze).
Denn jetzt können wir anfangen, mit der Empfindung (in unserem Beispiel mit dem pulsierenden Ball) zu experimentieren und Variationen ins Spiel zu bringen:
„Was würde passieren, wenn das Pulsieren schneller würde? Oder langsamer? Wie würde sich die Oberfläche des Balls anfühlen? Stell dir vor, dass du Frische in den Ball hinein atmest, und dass du beim Ausatmen Luft aus ihm ablässt.“ … usw.
Außerdem wird es leicht, die Empfindung in einen anderen Sinneskanal zu übertragen: „Welche Farbe hat der Ball?“
In der visuellen Vorstellung sind Veränderungen für die meisten Leute leichter als im Fühlen. „Was passiert, wenn die Farbe heller wird? Stell dir die Farbe als Wasserfarbe vor, und lass jetzt viel klares, frisches Wasser hineinlaufen, so dass die Farbe immer mehr verdünnt wird und sich über den ganzen Körper verteilt.“
Je mehr Aufmerksamkeit aufs Sehen / Vorstellen geht, desto weniger intensiv wird das Gefühl erlebt (was wir uns ja auch schon bei der Phobie-Technik zunutze gemacht haben).
Eine weitere Möglichkeit: dem Schmerz = der Empfindung Raum geben.
Es hat eine sehr integrierende Wirkung, zu spüren, welches Volumen die Empfindung im Gesamtraum des Körpers einnimmt.
„Wie weit ist es vom Zentrum der Empfindung bis zu deiner Nasenspitze? Wie viel Raum ist zwischen der Empfindung und deinem Bauchnabel? Wie viel Raum füllt die Empfindung im ganzen Körper aus? Und im ganzen Zimmer?“
Das löst die Fixierung auf den Schmerz und bettet ihn ins Gesamt-Erleben des Augenblicks ein. Dadurch verteilt sich die Intensität gleichmäßiger, und Verkrampfungen können sich lösen.
Außerdem können wir die Empfindung z. B. mit der gleichen Stelle auf der anderen Körperseite vergleichen („Wie fühlt sich die rechte Kopfhälfte an? Welche Farbe wäre das?“) und die „heile“ Stelle als Referenz nehmen („Stell dir vor, dass diese Farbe um den Ball dort links herum fließt, ihn erfüllt und schmelzen lässt“ – oder einfach: „Stell dir vor, dass die linke Seite sich immer mehr der rechten angleicht, wie bei einer langsamen Überblendung“).
Ok, soweit ein paar Möglichkeiten, es gibt natürlich noch viele mehr.
Wenn ihr grad mal so bissl Schmerzen habt, nutzt die Gelegenheit, diese Techniken zu üben!
Dann könnt ihr eure Vorerfahrung leichter nutzen, wenn’s mal heftiger wird. Also nicht „ignorieren, bis es nicht mehr geht“, denn dann könnte es schwierig werden, die nötige Aufmerksamkeit aufzubringen.
Dasselbe gilt natürlich auch für eure Patienten.