Timelines, Zeitmanagement und die Gegenwart

Um Timelines zu verstehen, beginnen wir mit einem kurzen Experiment:

Denken Sie an ein Erlebnis in Ihrer Vergangen­heit (nehmen Sie eine schöne Erin­nerung, damit das Expe­ri­ment auch Spaß macht!) und ver­glei­chen Sie es dann mit einem ähn­li­chen Erleb­nis, das Sie für die Zukunft erwar­ten. Sie werden bemer­ken, dass diese beiden Bilder (das erin­nerte und das erwar­tete) aus vers­chie­denen Rich­tun­gen kommen. Die Zukunft liegt gedank­lich in einer anderen Rich­tung als die Ver­gan­gen­heit. Wenn Sie jetzt an meh­rere ange­nehme Erin­ne­rungen zurück­denken, dann werden Sie merken, dass auch die Chro­no­lo­gie der Ereig­nisse räum­lich darge­stellt wird, zum Beispiel: Je weiter ein Erinne­rungs­bild ent­fernt ist, desto länger ist das Ereignis her.

Wir denken an zeit­liche Abläufe in räum­lichen Begrif­fen. Denn interes­santer­weise sind wir selbst ja immer in der Gegen­wart; Erleben findet immer genau jetzt statt. Vergan­gen­heit und Zukunft erleben wir nur als Gedan­ken, die in der Gegen­wart auf­tauchen. Diese metapho­rische Gleich­setzung von Zeit und Raum finden wir auch in unserer Sprache: „Das liegt schon so weit zurück, bis dahin ist es noch weit, das dauert lang, das habe ich hinter mir /vor mir …“

Wenn Sie all Ihre Erinne­rungen und Zukunfts­erwar­tungen mit einer imagi­nären Linie verbinden, dann haben Sie Ihre Time­line entdeckt: das Ordnungs­system, das diese Bilder chrono­logisch sortiert.

Hier die zwei häufigsten Typen von Timelines: Bei der einen (genannt „In Time“) liegt die Vergangen­heit hinter uns und die Zukunft vor uns, so dass die Zeit­linie durch den Körper hindurch verläuft.

NLP Timelines: "In-Time"
„In-Time“

(Meines Wissens gibt es welt­weit nur ein einzi­ges Volk, bei dem die Vergan­gen­heit vor einem liegt und man die Zukunft hinter sich hat: die Aymara in Bolivien. Die Voraus­schau­en­den sind dort die Nostal­giker, und dauernd holt einen die Zukunft ein.)

Bei der zweiten Vari­ante (“Through Time“) läuft die Zeit­linie vor unseren Augen vorbei (in unserer Kultur meistens von links nach rechts).

NLP Timelines: "Through Time"
„Through Time“

Die Auswirkungen verschiedener Time­lines sind zu umfang­reich, um sie in diesem Text zu beschreiben. Statt­dessen gehen wir gleich zu prakti­schen Anwendungen über.

Timelines nützen

Es gibt viele Möglichkeiten, die Ordnungs­struktur von Time­lines zu nützen: Viele Menschen hatten trauma­tische Erfah­rungen (Tren­nung, Verlust, Verlet­zungen, pein­liche Situ­ationen …), an die sie immer wieder zurück­denken. Diese Erleb­nisse stehen immer wieder so nah und groß und plas­tisch vor ihrem geisti­gen Auge, als wür­den sie gerade im Moment geschehen – und entspre­chend durch­leiden sie auch wieder ähn­liche Gefühle wie damals. Es fällt ihnen schwer, diese Erin­ne­rungen hinter sich zu lassen. Der klini­sche Aus­druck dafür ist „Post­trau­ma­tische Belas­tungs­reaktion“.

Es scheint, als ob an der vergan­ge­nen Erfah­rung noch etwas aufzu­arbeiten sei, etwas zu klä­ren oder zu lernen. (Auch dafür bietet NLP Werk­zeuge, das führt jetzt aber zu weit). Viel­leicht fällt es dem Gehirn aber auch nur schwer, das Erlebte zeit­lich einzu­ordnen als „vergan­gen, vorbei, über­stan­den“, weil es so außer­or­dent­lich intensiv war.

Ein NLP-Therapeut kann seinen Patien­ten dabei unter­stüt­zen, die trau­ma­ti­sche Erfah­rung los­zu­lassen, indem er ihm den Platz auf der Time­line zeigt, wo die Erin­ne­rung hingehört. An diesem Platz kann er sie ein­ordnen, in einer Größe, die zu den „umlie­ge­nden“ Erin­ne­run­gen passt; er kann sie auch ver­blassen lassen … was auch immer sie zu einer von vielen Erin­ne­run­gen macht, die jetzt nicht mehr wichtig sind.

Lassen Sie uns nun zwei praktische Anwendungen durchspielen:

1. Technik: Gedanken aufräumen

Viele Leute klagen darunter, dass sie „den Kopf voller Gedanken“ haben. Diese Gedan­ken bezie­hen sich in den aller­meisten Fällen auf Vergan­gen­heit („Das hätte ich sagen sollen!“ oder „Wie konnte sie nur?“) und Zukunft („Das werde ich sagen!“ oder „Über­mor­gen muss ich sie anru­fen!“). Natür­lich kann es sinn­voll sein, Kon­se­quen­zen aus vergan­ge­nen Erfah­run­gen zu ziehen und für die Zukunft zu planen – aber wenn nur immer wieder die­sel­ben Gedan­ken kreisen, dann wird dieses Grübeln unpro­duk­tiv und quä­lend. Dann „wissen“ die Gedanken viel­leicht einfach nicht, wo sie hin­ge­hö­ren, und schwe­ben frei im Raum herum, ohne Sinn, und war­ten darauf, ein­sortiert zu werden.

Es ist es ein bisschen wie in einer Gespenster-Geschichte: Die Gedan­ken irren umher, weil sie keine Ruhe­stätte fin­den. Diese Ruhe­stätte ist der Ort auf der Time­line, wo sie hin­ge­hören. Wir könnten es auch als „menta­les Feng Shui“ beschrei­ben: Wir räu­men die Gedanken auf und sortie­ren sie an der rich­ti­gen Stelle ein.

Wenn Sie also „den Kopf voller Gedan­ken“ haben, wenn Sie grübeln und damit auf­hö­ren möchten, dann pro­bie­ren Sie fol­gen­des aus: Über­prü­fen Sie, ob es momen­tan etwas aus den Gedan­ken zu lernen gibt. Ent­hal­ten die Gedan­ken wich­tige neue Infor­ma­tionen?
Wenn ja, dann machen Sie sich erst klar, was Sie lernen möchten, bevor Sie die nächs­ten Schritte durchgehen.

Wenn nein, dann stellen Sie sich Ihre Zeit­linie vor: In welcher Rich­tung liegt „vorige Woche“, „voriges Jahr“, „meine Kind­heit“? Und wohin führt die Zukunft? Wo ist „nächste Woche“, „nächstes Jahr“, „das Jahr 2030“?

Nehmen Sie nun einen Gedanken, der immer wieder auf­taucht, und sor­tie­ren ihn an den Platz ein, an den er gehört. (Zum Bei­spiel gehört der Gedanke „Über­morgen rufe ich sie an!“ an die Stelle auf Ihrer Time­line, die „über­morgen“ anzeigt.)

NLP Zeitmanagement

Hier eine Zusammenfassung der Technik:

1. Entscheiden Sie, ob Sie sich jetzt gerade um einen krei­sen­den Gedanken kümmern möchten. Wenn ja: Gibt es etwas, das Sie tun oder lernen möchten, etwas, das Sie vor­be­rei­ten möchten? Dann tun Sie das, bevor Sie mit Schritt 2 weitermachen.

2. Überlegen Sie, zu welchem Zeit­punkt der Gedanke gehört.

3. Verschieben Sie das Gedanken­bild an die passende Stelle auf der Time­line. Lassen Sie es dabei nicht nur seine Posi­tion, sondern z.B. auch seine Größe ändern, so dass es sich in die Time­line einfügt. (Meistens muss es dazu kleiner werden.)

Wenn Sie wollen, können Sie jetzt zur nächs­ten Technik übergehen (die beiden Techniken funktio­nieren aber auch unab­hän­gig voneinander).

2. Technik: Die Aufmerksamkeit auf die Gegenwart lenken

Um die Aufmerksamkeit auf die Gegen­wart zu lenken, stellen Sie sich zuerst Ihre Time­line vor: in einer Rich­tung liegt die Vergan­gen­heit und in der anderen die Zukunft. Lassen Sie nun die Vor­stel­lungen und Erinne­rungen auf der Time­line ver­blassen und ver­schwim­men (sodass die Erinne­rungen ver­blassen und Sie sich nur noch ver­schwom­men erinnern). Lassen Sie die Farben aus Ver­gan­gen­heit und Zukunft in die Gegen­wart fließen, die dadurch viel­leicht in umso leuch­ten­de­ren, inten­si­veren Farben erstrahlt. Und je ver­schwom­me­ner die Bilder auf der Zeit­linie werden, desto klarer nehmen Sie die Gegenwart wahr.

NLP Gegenwart: Präsenz

Das war’s schon. Jetzt kennen Sie Ihre Time­line und einige Mög­lich­kei­ten, sie zu nützen. Außer­dem beherr­schen Sie eine Technik, um die Auf­merk­sam­keit von Gedanken abzu­ziehen und aufs „Hier und Jetzt“ zu richten.

Dittmar Kruse


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