Schlagwort: Erwachen
Nondualität: Gespräche mit Dittmar Kruse
Online-Chat September 2018, 1. Teil
Ich, der Organismus
Hallo lieber Dittmar,
es ist eine Freude, bei den Treffen dabei sein zu können, und ich freue mich immer wie Bolle auf diesen Termin. Die Fragen die erscheinen und die Antworten die kommen, alles ist so echt, klar und ehrlich und erhellend.
Es fühlt sich alles intensiver an und trotz scheinbarer Unruhen von außen fühle ich mich innerlich stabiler. Da ist auf jeden Fall momentan auch mehr Energie da für alles. Irgendwas verändert sich. Die Gedanken, die auftauchen, haben keine Schwere (zurzeit), sondern sind mehr so klärend, und immer wieder taucht der Gedanke auf, dass das, was geschieht, genauso sein soll und richtig ist wie es ist. Auch dann, wenn ich es nicht verstehe. Mehr Ruhe, Gelassenheit …
Ich bin mir sicher, dass das mit deinen klaren Worten, dem Offensein für das, was durch dich gesagt wird, und die Fragen der anderen, die auch meine sein könnten, alles geschieht.
Gestern Abend habe ich auch noch eine Angst vor dem Nichtsein deutlich gespürt, die Angst vor dem Tod scheint also noch da zu sein.
Ist das bei dir auch noch so, oder ist da eine totale Annahme bzw. Gelassenheit? Eigentlich ist es dann doch wohl einfach nur ein Gedanke, der Angst macht, oder?
Liebe ..,
ich freue mich, dass du Ruhe und Gelassenheit erlebst!
Nein, Angst vor dem Tod habe ich gar nicht. Wobei ich mir gut vorstellen könnte, dass der Organismus auf eine lebensbedrohliche Situation mit viel Adrenalin reagieren würde, z.B. wenn nachts im Wald ein geisteskranker Axtmörder auf mich zu kommt … 😶 Wer weiß …
Und genauso könnte es bei dir sein, wenn dann wirklich mal Gevatter Tod vor der Tür steht, dass du ihn dann willkommen heißt und ihn friedlich und freundlich herein lässt. Wer weiß …
Und klar: Das sind alles nur Gedanken. Im Moment ist da ja kein Tod, sondern nur Leben …
Hallo lieber Dittmar,
Ich wollte mich mal für deine Antwort auf die Frage nach der Angst vor dem Tod bedanken. Sie hat mich sogar zum Lachen gebracht, da es so klar war bzw. wurde, als ich deine Antwort las. Klar, es kann alles passieren, Angst oder entspanntes Annehmen …
Trotzdem habe ich heute mal ein paar “andere” Fragen, die mir gerade so durch den Kopf schwirren und die ich dir gerne stellen würde – bestimmt hast du sie schon alle tausendmal beantwortet, aber das Verstehen und die Fragen tauchen halt gerade so auf. Ich habe Sorge, dass es sich bei meinem Verstehen “nur” um ein verstandesmäßiges Verstehen handelt, so dass noch irgendwas Wichtiges fehlen würde.
Habe einfach mal alles so runtergeschrieben:
Irgendetwas geschieht und man scheint darin unbewusst verwickelt, dann kommt ein Gedanke der sagt: “Hey, warum machst du das gerade so?” Und dann kommt der nächste: “Ha, da war ich wohl nicht aufmerksam genug” und der nächste: “Aber es gibt doch gar kein Ich, nur Gedanken”, und daraufhin entspannt sich etwas spürbar im Körper, aber nur solange wie dieser Gedanke anhält und abgelöst wird von einem anderen Gedanken, wie z.B.: “Mensch, ich muss ja noch einkaufen”, und schon ist es vorbei mit der Entspannung … Usw. usw.
Ein scheinbarer Ablauf von Gedanken und Handlungen, von niemandem, aus dem Nichts, bzw. sich von Moment zu Moment aus der jeweiligen Situation ergebend. Niemand da, der irgendetwas denkt oder tut. Selbst das Erkennen von dieser Tatsache geschieht irgendwie von alleine durch den aufkommenden Gedanken und die anschließende Überprüfung, auch wenn es sich hartnäckig so anfühlt bzw. denkt, dass ich da etwas tue oder denke. Es denkt und tut sich ja auch durch diesen Körper, und irgendwie hat dieses System ja gelernt, dass dieser Körper ich bin, und auch alles, was durch ihn geschieht, denkt und handelt, ich bin.
Ist alles also wirklich nur konditioniert und bedarf es somit nur einer Dekonditionierung? Ist das Erwachen dann nichts weiter als ein komplettes Dekonditionieren des Systems, so dass kein Ich mehr zurückbleibt und nur das pure Geschehen übrig bleibt?
Geschieht bei dir dann nur noch ein Benutzen des Wortes “ich” ohne einen fühlbaren Inhalt bzw. ohne den Glauben daran?
Dass alles, was geschieht, sich auf einem Hintergrund abspielt und eigentlich dasselbe ist, also eins, kann man als Mensch doch gar nicht verstehen können, oder? Das Erleben ist doch offensichtlich ein anderes. Als wäre es doch nur ein Glaube. Ein Glaube an einen unkaputtbaren Hintergrund, Urgrund oder wie man es auch immer nennen will, oder? Es gibt doch dann gar nichts anderes, was “ich” wahrnehmen oder sein kann, als das was, sich gerade so zeigt (für mich)? Es gibt nichts zu tun, nichts zu ändern und nichts zu verändern, da es mich nicht gibt, aber dennoch erlebe ich es (oder es sich) doch als scheinbares Einzelwesen. Oder ist das bei Dir anders???
Mir scheint, da gibt es echt einen Unterschied zwischen dem Verstehen und dem Sterben des scheinbaren Ichs. Ist das so?
Ich würde mich sehr über eine Antwort von dir freuen.
Danke für deine Fragen! Ich antworte dir sehr gerne.
• Du schreibst: “Dann kommt ein Gedanke, der sagt: …‘Ha, da war ich wohl nicht aufmerksam genug’ und der nächste: … ‘Mensch, ich muss ja noch einkaufen’, und schon ist es vorbei mit der Entspannung.”
Ist es denn wirklich das Wort “ich”, das zu Anspannung führt, oder sind es Begriffe wie “Nicht … genug” und “Ich muss noch …”? Die Vorstellungen, wie du sein oder erleben müsstest und was du machen müsstest?
• “Es denkt und tut sich ja auch durch diesen Körper, und irgendwie hat dieses System ja gelernt, dass dieser Körper ich bin, und auch alles, was durch ihn geschieht, denkt und handelt, ich bin. … Geschieht bei Dir dann nur noch ein Benutzen des Wortes ‘ich’ ohne einen fühlbaren Inhalt bzw. ohne den Glauben daran?”
Wenn ich das Wort “ich” benutze, dann meint der Organismus sich selbst. Die Lebendigkeit, die als dieser Organismus lebt. Ganz einfach.
Zum Beispiel könnte ich, der Organismus, einfach sagen: “Meine Hände sind schmutzig, ich gehe mich mal waschen.” – statt: “Diese Hände sind schmutzig, Gehen und Waschen geschieht … scheinbar. Für niemanden.” Wenn ich anfange so zu reden, erschieß mich bitte.
Das Wort “ich” ist ein praktisches Kürzel für den lebenden, denkenden, wahrnehmenden, sich bewegenden Organismus.
Und natürlich lässt sich dieser Organismus von seiner Umgebung unterscheiden, natürlich kann ich ihn von dem Stuhl unterscheiden, auf dem ich sitze, und von der Kleidung, die ich trage. Und in Gedanken kann ich ihn aus der Situation heraus lösen und damit aus dem Jetzt heraus lösen.
Diese Möglichkeit zu unterscheiden oder ihn gedanklich aus der Situation heraus zu abstrahieren behindert aber nicht das Erleben von Einssein und Ganzheit: Unterscheidung ist nicht Trennung.
Wenn du “deine” (ich weiß: das böse Wort!) Hand anschaust, dann siehst du einzelne Finger, wenn du sie mit diesem Filter betrachtest, der sie von der Hand und den anderen Fingern unterscheidet. Daran ist nichts verkehrt. Jeder Finger ist eine eigene Erlebniswelt, auf seine eigene Art lebendig. Wenn sich ein Finger verletzt, tut nur er weh, die anderen Finger enicht.
Und doch ist dieselbe Lebendigkeit in jedem Finger. Und wenn du einen Finger verlieren würdest, wäre dieselbe Lebendigkeit immer noch da, nur ohne Erleben und Bewegen dieses Fingers. Immer noch ganz und vollständig.
Dasselbe könntest du mit jedem einzelnen Finger überprüfen: Seine Fingerkuppe ist nicht das Fingergelenk oder der Fingernagel und doch können sie als ein einziger Finger erlebt werden, als eins ohne Trennung. Als Einheit in den Unterschieden.
Das Erleben des Jetzt ist als Ganzes da, das beinhaltet auch den Erlebenden.
Der Organismus ist keine tote Materie und nicht getrennt von mir, sondern pures Leben, dieses lebendige Zusammenspiel, dieses Gesamtgeschehen.
• “Dass alles, was geschieht, sich auf einem Hintergrund abspielt und eigentlich dasselbe ist, also eins, kann man als Mensch doch gar nicht verstehen können, oder? Das Erleben ist doch offensichtlich ein anderes.
Also wäre es doch nur ein Glaube. Ein Glaube an einen unkaputtbaren Hintergrund, Urgrund oder wie man es auch immer nennen will, oder? Es gibt doch dann gar nichts anderes, was ‘ich’ wahrnehmen oder sein kann als das, was sich gerade so zeigt (für mich)? Es gibt nichts zu tun, nichts zu ändern und nichts zu verändern, da es mich nicht gibt, aber dennoch erlebe ich es (oder es sich) doch als scheinbares Einzelwesen. Oder ist das bei dir anders???”
Glauben hilft da nichts. Da ist kein Hintergrund, keine Leinwand, keine Trägersubstanz … Aus all diesen Metaphern und Begriffen macht sich das Denken eine Vorstellung, die nur eine Vorstellung bleibt. Ein Etwas, ein Objekt, an das geglaubt werden kann.
Da ist nur diese Lebendigkeit. Sie ist völlig offen, sie kann nicht wie ein Objekt wahrgenommen werden. Aber sie kann ganz direkt erlebt werden, ganz ohne Gedanken und ganz eindeutig und klar. So erlebe ich sie.
Anders gesagt: Lebendigkeit erlebt sich, ohne Subjekt und ohne Objekt (oder, wenn diese Unterteilung stattfindet: als Subjekt und Objekt zugleich).
Und diese eine Lebendigkeit nimmt in allen Formen Gestalt an, bewegt sich als alles. Als Zusammenspiel der “Einzelwesen”, der Organismen. Frei von den Erscheinungen, frei in den Erscheinungen.
Auch als das Verstehen, dass du gerade andere Sinneseindrücke erfährst als ich, dass jeder Organismus eine eigene Erfahrungswelt darstellt, und dass das zum Zusammenspiel gehört wie verschiedene Klänge und Instrumente und Hörer zur Musik: Die Töne sind nicht “getrennt” in der Musik.
Da ist einfach nur das gegenwärtige Erleben, und die Gegenwart wird in all ihrer bunten Vielfalt als eins erlebt und geliebt. Dieses ganze Erleben ist Projektion des Bewusstseins durch Organismen.
Die Illusion, die Stress bringt, ist nicht der Organismus, sondern der Besitzer und Lenker des Organismus, der irgendwie vom Organismus getrennt dem (Er)leben gegenüber zu stehen scheint.
Das Denken nimmt solche Beschreibungen des Einsseins schnell mal als Vorgabe und versucht dann, diese anscheinend noch ausstehende Erfahrung anhand einer Vorlage zu konstruieren und herbeizudenken. Aber wenn das Erleben nicht dafür herhalten soll, Vorstellungen zu erfüllen, sondern sein darf, wie es ist, dann zeigt sich das Einssein von selbst. Denn wie du schreibst: Mit dem gedanklichen Verstehen hat es nichts zu tun. Aber “Sterben des scheinbaren Ichs” würde ich es auch nicht nennen, sondern eher Erwachen oder völliges Aufgehen im Jetzt.
Ich danke dir für deine Antwort und bin froh, dass ich dich wahrscheinlich niemals erschießen muss 😆, da du dich einfach klar und normal ausdrückst. Genau dafür “lieb ich dich” und deine Art zu reden, zu erklären und einfach zu sein.
Ich bin mir nun sicherer denn je, dass alles genau richtig ist so wie es ist.
Sicher auch, dass ich bei aufkommender Verwirrung lieber dich frage als sonst irgendwen und du mir durch deine Worte wieder zur Klarheit verhelfen kannst.
Gestern Abend habe ich mir mal wieder ein Video von dir und der Gruppe angeschaut / angehört, in dem es um Experimente im Bewusstsein ging – es war unglaublich. Ohne Konzepte war da wirklich fühlbar alles im Bewusstsein, so groß und weit und alles fand darin statt – Hören, Gedanken, Fühlen, Bilder usw. …
Vergänglichkeit und Flow
Hallo Dittmar, ich hab mir auf YouTube schon einige deiner Aufzeichnungen angeschaut; es ist echt super, dass du das machst und es sind schon interessante Fragen der Teilnehmer dabei. Danke schon mal dafür, und ich hoffe, ich hab bei einem der zukünftigen Termine auch mal Zeit, live teilzunehmen.
Ich hätte auch selbst mal eine Frage an dich, und zwar komme ich schon immer mehr für kurze Zeit in das Erleben des Moments und das ist schon wirklich ein tolles Gefühl. Mir fällt jedoch gerade im Urlaub die letzten Wochen etwas auf, vor allem fiel es mir noch nie so schwer wie heuer, wieder nach Hause zu fliegen. Jeden Tag habe ich voll genossen, doch trotzdem oder gerade deswegen erzeugt meinem Gefühl nach auch dieses volle Bewusstsein des Moments bei mir einen gewissen Flow, und ich versuche auch oft, damit den Moment noch länger festzuhalten, doch umso schneller vergeht mir irgendwie die Zeit. Ich hoffe es ist einigermaßen nachvollziehbar weil es ist ja doch schwer zu beschreiben. Ist es der Verstand, der einem da dazwischen funkt?
Bin ich hier an Fragen angekommen, die dir schon auch mal untergekommen sind und die auch einfach dadurch schon immer schwieriger zu begreifen sind, weil es eben nicht begreifbar ist mit dem Verstand? Dazu kommt noch ein Punkt, und zwar: Dieses bewusste Wahrnehmen von Momenten und besonders der schönen macht sie trotz allem nicht verlängerbar, und das hat mich doch etwas in ein kleines Tief fallen lassen. Denn wenn es ja immer nur den gegenwärtigen Moment gibt, dann ist jeder schöne umso kostbarer, aber auch genauso vergänglich, und die weniger schönen kommen mit Sicherheit auch, vor allem, wenn die Zeit hier irgendwann mal zu Ende geht.
Ein interessanter Zeitpunkt, auch wenn gerade in dieser Zeit solche Fragen so stark ins Bewusstsein kommen. Ich würde mich freuen, wenn du vielleicht den einen oder anderen Rat für mich hättest.
Es ist sehr sinnvoll, Umgebungen und Situationen aufzusuchen, die dem Organismus gut tun: Frische Luft, Weite, Bewegung … Solange wir nicht das Erleben von Präsenz davon abhängig machen. Die Weite der Landschaft lädt die Weite des bewussten Erlebens ein, aber das Bewusstsein ist von Natur aus weit und nicht an Umstände gebunden.
Die Einzigartigkeit des Moments zeigt sich leichter unter außergewöhnlichen Umständen. Das liegt daran, dass gewohnte (gewöhnliche) Umstände für das Denken in die Kategorie “Nichts Besonderes, kenne ich schon, uninteressant” fallen. Unser Wohnzimmer ist zum Beispiel so gewohnt, dass uns nichts “Besonderes” auffällt, wenn wir hineingehen. Es ist halt “so wie immer”. Daher wendet sich die Aufmerksamkeit eher dem Denken zu. Und weil im Denken ja meistens auch nichts Neues oder Interessantes abläuft, breitet sich erst recht ein Gefühl von Langeweile aus, unbefriedigt und gespalten zwischen Erleben des Jetzt und Denken an etwas anderes.
Im Denkmodus scheint die schönste Situation, die schönste Landschaft fad, weil wir sie nur halbbewusst erleben. Und im direkten Erleben kann es sensationell sein, einfach nur im Wohnzimmer auf der Coach zu sitzen oder am Bahnsteig zu stehen, bis der Zug kommt. Eine ganz neue, einzigartige Erfahrung. Pure Lebendigkeit! Diese Lebendigkeit ist das Bewusstsein, das in allen Wahrnehmungen Gestalt annimmt, als Präsenz, als Gegenwärtigkeit, als Sinnenfülle.
Der Moment verliert, wenn er mit anderen Momenten verglichen wird. Er verliert seine Einmaligkeit, und er erscheint weniger lebendig, weniger interessant, weniger “genießbar”.
Das Aufgehen im Moment, das Einssein mit der Gegenwart gerät in den Hintergrund, und es entsteht der Eindruck eines Ichs, das sich durch die Zeit bewegt, von einer (vielleicht schönen) Vergangenheit zu einer (vielleicht blöderen) Zukunft – durch eine fade Gegenwart, die nur ein Durchgangsmoment zu sein scheint, ein Wegwerf-Augenblick statt purer Lebendigkeit.
Das liegt also nicht an den Umständen, nicht am schönen Urlaubsort oder dem langweiligen Arbeitsplatz, sondern daran, ob dem Erleben Aufmerksamkeit geschenkt wird, und mit der Aufmerksamkeit Lebendigkeit geschenkt wird.
Umstände lassen sich nicht festhalten, das Leben ist ein Fließen, nichts bleibt. In der Vergänglichkeit, in der ständigen Veränderung lässt sich nichts festhalten. “Flow” beschreibt das Fließen der Energie, nichts Statisches, nichts zum Festhalten.
Das bewusste Erleben dieses Flusses ist dieser Flow, den wir lieben und der sich zeigt, wenn eben nicht versucht wird, etwas festzuhalten. Das völlige Aufgehen und Mitfließen im Jetzt.
Die Offenheit fürs Erleben, wie auch immer es sich jetzt gerade zeigt – das ist, was wir lieben und was wir sind.
Hallo Dittmar, vielen Dank für deine ausführliche Antwort! Ich verstehe, dass ja erst die Bewertung auf Basis unserer Glaubenssätze aus einem Moment mehr macht als aus einem anderen. Auch die Sichtweise, es könnten schwierigere Momente kommen und es wäre ja so wie jetzt genau richtig, wird aus dieser Bewertung heraus erzeugt. Es kann daher, genau wie du sagst, nur das allumfassende Ankommen im Moment die Freiheit von all diesen Beschränkungen ermöglichen.
Ich erkenne mittlerweile auch bei alltäglichen Tätigkeiten schon ein wenig die Erfülltheit im Moment. Auch schaffe ich es immer wieder zumindest zu versuchen ins Fühlen zu kommen. Der Verstand, das Ego ist halt auch sehr stark, sodass es immer so kurze Funken sind und dann sehr rasch wieder Gedanken kommen.
Aus deiner Erfahrung, ist dieser Prozess des Eins werden meist ein langsames immer wieder etwas länger anhaltendes Fühlen oder könnte es auch zu Sprüngen kommen und es dann auch mal wirklich spürbar möglich sein, in dieser Freiheit zu bleiben? Diese kurzen Funken finde ich schon immer äußerst friedvoll und kraftvoll.
Was du “Eins werden” nennst, würde ich “Erkennen des Einsseins” nennen, das Wegfallen der Illusion von Trennung. Das völlige Aufgehen im Jetzt nimmt dieses Getrenntheitsempfinden mit sich. Übrig bleibt nur Präsenz.
Das Erleben dieser Präsenz ist so schön und klar und wach, dass die Versprechungen des Denkens nicht mehr so ziehen. Wenn du weißt, was du wirklich liebst und wo das Glück ist, dann lässt die Verlockung von Ablenkungen nach.
Das heißt aber nicht, dass die gewohnten Gedanken gelöscht wären. Sie können weiterhin auftauchen, wie das halt so ist mit Gewohnheiten. Und dann können sie die Aufmerksamkeit in die Trance der Normalität ziehen: die gewohnte Beschreibung, wer du bist, was vor dir und was hinter dir liegt, wie die Welt ist …
Wenn die Gedanken aber zur Ruhe kommen und das Erleben nicht mehr fragmentiert ist – nicht mehr zersplittert zwischen dem Erleben und den Gedanken an wann anders und woanders –, dann ist das wie ein Sprung, ein Erwachen aus Träumen zur Wirklichkeit. Der Organismus erwacht zur Lebendigkeit, zur Freude und Freiheit des direkten Erlebens. Und dann erscheint es immer weniger sinnvoll, sich von diesem Glück abzuwenden und wieder in Träume abzutauchen.
Du kannst direkt erleben, wie das Einssein mit dem Moment eingetrübt wird, wenn Gedanken aufkommen, die sich mit etwas anderem als der Gegenwart beschäftigen. Das Unbehagen, das diese Gedanken mit sich bringen, führt meistens dazu, dass sich die Aufmerksamkeit noch mehr von der (jetzt nicht mehr so erfüllenden) Gegenwart abwendet und sich immer mehr im Denken verfängt. Ein latentes Gefühl von Anspannung und Besorgnis legt sich übers Erleben.
Wenn du aber auf genau diesen Übergang achtest, an dem Gedanken den Flow und das Gefühl von Gegenwärtigkeit unterbrechen, dann kannst du diese Eintrübung live erleben. Dann erkennst du, dass es Stress bedeutet, sich von der Erfülltheit abzuwenden. Und dass du diese “Funken” der puren Lebendigkeit mehr liebst als alles andere, dass sie deine Natur und dein Zuhause sind.
Wenn der Unterschied zwischen offener Wachheit (Flow) und Gedanken an etwas anderes (Fragmentierung und Anspannung) klar erlebt wird, dann zieht es die Aufmerksamkeit immer stärker in die Gegenwart statt ins Gedankenkarussell. Und wenn es wirklich mal etwas zu bedenken gibt, etwas zu planen oder zu reflektieren, dann kann das ohne Verwicklung geschehen.
Ohne die Identifikation mit einem Denker sind Gedanken einfach nur ein Werkzeug zur Planung, das beiseite gelegt wird, wenn die Planung beendet ist. Und wenn sie sich anbieten, obwohl gerade nichts zu planen ist, werden sie wahrgenommen, aber nicht aufgegriffen, nicht verfolgt. Dann kommen sie sehr schnell zur Ruhe, weil Erleben als so viel erfüllender erkannt wird als Bedenken.
Hallo Dittmar, vielen Dank für die Antwort!
Über den Bereich auf deiner Homepage bin ich noch gar nicht gestolpert. Ich habe dadurch gleich noch Antworten auf Fragen gefunden, die ich dir gerne noch gestellt hätte. Somit sind sie nun schon beantwortet. Finde diese Rubrik auch wirklich toll, weil sie eben zeigt, dass es ähnliche Herangehensweisen oder Sichtweisen am Weg zum Einswerden gibt. …
Ich finde deine Antworten zu den Themen wirklich äußerst faszinierend und ich glaube dir deine Beschreibungen sofort, dass es dann wirklich befreiend und weit ist, im reinen Erleben verweilen zu können. Ab und an glaube ich zumindest einen Sekundenbruchteil dorthin zu kommen und das lässt dies auch erahnen – aber dann ist auch schon wieder der Denker zur Stelle!
Körper, Traumwelt, Nondualität
Wenn wir alle nur ein Bewusstsein (nondual) sind, als was existieren wir dann in dieser Traumwelt? Und wenn ich kein Körper bin, warum bilde ich mir ein, gerade dies am deutlichsten zu spüren? Kann ich lernen, Nondualität wahrzunehmen?
Statt “Traumwelt” würde ich lieber “Erscheinungen im Bewusstsein” sagen: Alles, was du erlebst, erscheint im Bewusstsein.
Wir existieren hier als Bewusstsein, das erfüllt von Sinneseindrücken ist: Wir sehen, hören, riechen, schmecken und fühlen. Auch Gedanken sind als “innere Bilder” oder “innere Stimmen” da, die wir sehen bzw. hören; auch Emotionen und Intuitionen fühlen wir.
Für sinnliches Erleben brauchen wir Körper: Ohne Augen sehen wir nichts. Und wenn das Gehirn – ein körperliches Organ – betäubt oder berauscht oder beschädigt ist, dann kann das unser Erleben, unser Denken und Fühlen sehr stark verändern.
Der Körper ist jetzt einfach da, ob als Traum oder als “Realität”, jedenfalls als Erleben. Es wäre nur verwirrend, das zu leugnen.
Weil der Körper da ist, ist Erleben da. Und gleichzeitig ist der Körper, was im Erleben erscheint.
Im Einssein, also dem nondualen Bewusstsein, läuft das Spiel der Vielfalt, das Spiel der Unterschiede, der Veränderung und Bewegung, der Sinne, der Farben, Klänge, Sensationen, das Spiel der Dualität.
Und in diesem Spiel des Bewusstseins haben Organismen eine wichtige Rolle: Sie sind das Spielfeld und die Spielfiguren.
Sie sind auch das Medium, durch das wir gelernt haben, uns getrennt voneinander zu fühlen. Denn offensichtlich weißt du Dinge, die ich nicht weiß, zum Beispiel, was du heute gegessen hast und was du gerade denkst und so weiter. Ein Spiel im Bewusstsein können wir also nennen: “Ich sehe was, das du nicht siehst, und das ist ‘mein’ Erleben.” So gesehen sind Körper also Symbole der Trennung und Begrenztheit – wenn wir den Gedanken glauben.
Körper sind aber auch das Medium, durch das wir uns kennenlernen und Einssein erfahren können. Das kann deutlich werden beim Sex (kann, muss aber nicht), oder wenn wir gemeinsam singen oder musizieren oder tanzen oder uns anschauen oder berühren … oder einfach wenn wir zusammen sind. Da können wir fühlen, dass diese Organismen von derselben Lebendigkeit gelebt und erlebt werden.
So ist das körperliche, sinnliche Erleben pure Lebendigkeit, eine Feier des Lebens, ein Zusammenspiel von Energie, eine unvorstellbar reiche Bewegung im Bewusstsein, ein Fest der Vielfalt und des Zusammenseins im Einssein. Liebe.
Wenn sich die Aufmerksamkeit dem zuwendet, was da erlebt, dann findet sie dieselbe Offenheit für all das unterschiedliche Erleben.
Das gilt für den “einzelnen” Organismus, der die unterschiedlichsten Berührungen erlebt und unzählige Farben und Klänge und Gerüche und so weiter … alles in demselben Bewusstsein: Da ist diese eine, unteilbare Offenheit für all die verschiedenen Sinneseindrücke. Trotzdem weiß die Hand nicht, was die Nase riecht.
Und ebenso gilt das auch für das ganze Spiel der Erscheinungen: Da ist die eine Offenheit für alles Erleben in allen Organismen. Die Organismen erleben ihre eigenen, speziellen Sinneseindrücke (“Ich sehe was, das du nicht siehst”), und doch ist da diese eine unendliche Offenheit in ihnen allen.
Du findest dieses Prinzip in jeder Größenordnung: Atome, die als Moleküle zusammenspielen, die als Zellen zusammenspielen, die als Organe zusammenspielen, die als Organismen zusammenspielen, die als Familien oder Firmen zusammenspielen, eingebettet in der lebendigen Welt, die sie trägt und ernährt …
Eine Zelle in der Niere weiß nicht, was in der Lunge vor sich geht, aber sie ist dasselbe Leben, Ausdruck derselben Lebendigkeit. Ganz und Aspekt des Ganzen. Wir sind unendlich vielfältig eins.
Wie kann diese Nondualität, diese eine offene Lebendigkeit wahrgenommen werden? Indem wir aufhören, uns von Gedanken die Welt vorschreiben zu lassen. Wenn wir aufhören, die dualen Beschreibungen der Gedanken für “die Wahrheit” und “die Autorität” zu halten. Wenn wir stattdessen offen und unvoreingenommen schauen und fühlen, was wir sind, was Erleben ist, was Lebendigkeit ist, dann zeigt sich das Einssein von selbst. Einfach weil die Aufmerksamkeit nicht mehr von Beschreibungen und Bedingungen, wie das Erleben sein sollte, abgelenkt und verzerrt wird. Wenn das Erleben keine Bedingung erfüllen muss, wenn es nicht für etwas herhalten muss, dann zeigt es sich in seiner Absolutheit: frei und unendlich reich.
Sobald die Aufmerksamkeit nicht mehr durch Bedingungen gefiltert wird, sobald nichts “anderes” wichtig scheint, ist Offenheit fühlbar und präsent.
In dieser bedingungslosen Erlaubnis zu erleben, was da ist, in dieser liebevollen Offenheit erkennt das Bewusstsein sich selbst als liebevolle Offenheit.
Der Traum der Bedingungen und damit der Unvollständigkeit und Getrenntheit kann aufhören und das Spiel der Erscheinungen geht weiter. Nur wird es nicht mehr als Hindernis erlebt, sondern als Wunder.
An das Leben: Alles Liebe!
Wie lebendig du dich fühlst,
wie wach und präsent,
wenn du als Ganzes erlebst!
Du kannst alles in Liebe erleben.
Du bist frei,
ganz du zu sein, ganz da zu sein
als unbegrenztes Jetzt,
offenes liebendes Jetzt,
das alles ist.
Du kannst alles von der Last erlösen,
dir was bringen zu müssen
außer Lernen.
Du lernst, was da ist,
was du bist,
was du liebst.
Du musst nicht gegen den Strom schwimmen.
Du kannst flussaufwärts sehen
und die Quelle fühlen.
Liebe ist da.
Das Erleben des Jetzt … jetzt!
Hi Dittmar,
hier mein kleines nondualistisches Erlebnis!😉
Mir war der Satz “Alles ist eins” suspekt, immer wenn ich den hörte oder las, suchte ich irgendwo dieses Einssein … und fand es natürlich nicht. Wenn ich z.B an der Ampel auf grün wartete, sah ich einen Begrenzungspfosten am Straßenrand. Ich stellte mir vor, wie der Teil von dem Pfosten, der im Boden war, eins mit mir wurde, wie die Erde den Pfosten umgab und alles drumherum eins mit mir wurde …
Hab dann den Gedanken dahinter sehr schnell erkannt und dieses Einssein
als Gedankengebilde und Wunschtraum ziehen lassen.
Vor ungefähr zwei Wochen war ich spazieren im Wald, versuchte alle Sinne zu benutzen, um wahrzunehmen, was es um mich herum gab.
Dann auf einmal … verstand ich, was mit “alles ist eins” gemeint ist.
Es ist das “Jetzt”. Jetzt ist alles. Jetzt passiert alles. Jetzt verbindet alles. Es gibt nichts außer dem Jetzt, somit ist alles Jetzt. Alles was passiert, passiert Jetzt. Das ist die Einheit mit Allem. Alles ist im Jetzt eins.
Das war kein logisches Erkennen, das war auch kein super Freudengefühl. Es war eine Wahrnehmung, die einfach da war – und wie die da war! Ich war in dem Moment nicht mehr da.
Erst als ich über das Geschehene nachdachte, war ICH wieder da und versuchte sogleich zu analysieren, was da grad geschehen war.
Ich hab dann einfach wieder an Jetzt gedacht und es kam mir vor, als wenn sich mein Kopf öffnet und ICH war nicht mehr da. Es war da, was meine Sinne wahrnahmen und ein “Gefühl”, als wenn wirklich alles zusammengehören würde. Ich sah das Dorf im Hintergrund, den Wald und die Wiesen vor mir … und die Vorstellung, wie jeder einzelne jetzt grad etwas macht, seien es Menschen, Tiere oder Pflanzen … alles irgendwie gleichzeitig, aber nicht hektisch oder so. Es war einfach da. Jetzt.
Danach kam das ICH und analysierte dieses vergangene “Jetzt” in der Art wie: “Was war das? War das die Einheit? Was habe ich gefühlt? …” Diese Gedanken konnte “ich” als nur Gedanken kommen und wieder gehen lassen….
Jetzt, glaube ich, verstehe ich das: “Es ist schon da …”, “Du brauchst nichts zu machen …” Das Jetzt ist immer da. Schön, dass jetzt Jetzt ist! 🙂
Ja, das war mein Erleben des Jetzt. Wenn das konfuse Geschreibsel einer versteht, dann bist Du das. 😄 Danke, dass Du es gelesen hast!
Freut mich! Und wie ist das Erleben des Jetzt jetzt?
Ja, mit “Gedankengebilden und Wunschträumen” hat das Einssein gar nichts zu tun (außer dass sie halt auch in ihm auftauchen).
Du setzt anscheinend “Ich” mit “Nachdenken” gleich: “ICH war nicht mehr da … Danach kam das ICH und analysierte …”
Was ist das, was zurück gekommen ist? … außer Gedanken? Das ist keine rhetorische Frage (leicht abzutun mit “Ja klar, nur Gedanken”). Sondern lohnend zu schauen: Wenn das, wofür du dich hältst (gehalten hast), nicht da ist, was ist “stattdessen” da?
Ich vermute, dass in deiner Erkenntnis klar war:
1. Das Zusammensein als Eins ist wesentlich “realer”, klarer und stimmiger als das übliche fragmentierte Erleben.
2. Das ist immer so, es ist nie Nicht-Jetzt.
Stimmt’s?
Deshalb nochmal die Frage: Wie ist das Erleben des Jetzt jetzt?
Und nochmal: Ich freue mich über dein Erlebnis und dass du es mit mir “teilst”!
Was ist das, was zurückgekommen ist? Gute Frage!
Das was “zurückkam” würde ich so beschreiben, wie wenn Du Vögel am Futterhaus beobachtest und die dann versuchst zu bestimmen. Der, der das macht, die Vogelbestimmung, der kam zurück und hat das Erlebte versucht so zu beschreiben, dass es in meine Landkarte passt.
Deine zwei Vermutungen stimmen. Ich erinnere mich, dass in diesem Ereignis eigentlich alles stimmig war. Da war kein Gedanke eines Zweifels. Und es war Jetzt. Dieses Präsente. Es gab keine Gedanken an Vergangenheit oder Zukunft.
Im Nachhinein hatte ich dieses starke Erleben seit diesem Spaziergang nicht mehr. Was ich spüre ist, dass ich im Alltag sehr oft vom “Autopilot” gesteuert werde und öfters in einen Tunnel fahre. Oft bemerke ich es zu spät. Dann kommt ein Gedanke, der sagt: “Jetzt”. Danach kommen Erinnerungen an das Ereignis. Manchmal, für ein paar Sekunden, meine ich, wieder mit Allem verbunden zu sein.
Das augenblickliche Jetzt ist nicht das Erleben vom Spaziergang. Es sind sehr viele Gedanken da, von der Vergangenheit, Zukunft und dem Taubengegurre vor dem Fenster.
Was auch immer öfters erscheint, ist der Wunsch nach diesem Zustand.
Ich freue mich und bin ein bisschen “stolz”, dass Du mit mir über meine Erlebnisse schreibst 😊 Danke!
Was zurück kam oder wieder eingesetzt hat, ist also ein automatisches Kategorisieren. Eine mentale Aktivität, bist das “du”?
Und es sind wieder mehr Gedanken im Spiel, die Aufmerksamkeit auf sich ziehen. Inklusive der Erinnerung an das “Ereignis” und dem Vergleichen des “Ereignisses” mit dem augenblicklichen Jetzt.
Mentale Aktivitäten, bist das “du”? Oder werden sie wahrgenommen wie das Taubengurren vor dem Fenster?
Du hast Recht, diese mentale Arbeit sind einfach nur Gedanken, die wahrgenommen werden wie das Taubengegurre!
Wer nimmt die wahr? Bin das ich?
Dass sofort nach der Wahrnehmung wieder Gedanken zum Wahrgenommenen Gedanken auftauchen … lustige Sache. Manchmal, wenn ich z.B. im Bett liege, versuche ich, die Gedanken, die da auftauchen, einfach zu beobachten. Jetzt merke ich, dass der Beobachter auch nur ein Gedanke ist. 🙂
Das oder der merkt, dass der Beobachter auch nur ein Gedanke ist, bin das ich? Oder ein weiterer Gedanke, ein Beobachter des Beobachters? Wie viele Beobachter gibt es ?
Muss da noch vieles auf mich wirken lassen und noch viele Gespräche mit Dir führen 🙂
“Wer nimmt die wahr? Bin das ich? … Das oder der merkt, dass der Beobachter auch nur ein Gedanke ist, bin das ich?”
MUSST du denn etwas sein? Da sind diese mentalen / energetischen Prozesse /Aktivitäten: Suchprozesse, Informationsverarbeitung, Einordnen usw. Und einer dieser Prozesse ist die Identifikation: das Einsortieren in die Kategorie “Ich” im Gegensatz zu “Nicht ich”.
Auch Beobachten ist ein Geschehen: Bemerken, Erkennen … alles energetische / mentale Prozesse.
Auch das Beobachten kann beobachtet werden, diese Aktivität fühlt sich vielleicht “spacig” an, ist aber auch ein energetisches Geschehen.
Da findest du den Organismus, z.B. die Augen, die sich bewegen und fokussieren, dann findest du Gedanken, die z.B. “Aha!” sagen (oder “Ui!”), und ein Gefühl des “Passens”, ein gefühltes “Aha!” (oder “Ui!”).
Also auch wieder mentale / energetische Prozesse. Findest du ein “Du”, das all das findet, einen Beobachter – oder nur Prozesse, Bewegungen im Energiefluss?
Und die Stille, in der sich all diese Bewegungen abspielen; Stille, die in ihnen Gestalt annimmt?
kurz & bunt
… hier ein paar kurze Sätze, die ich mal gesagt oder geschrieben habe, auf buntem Hintergrund ... 🙂
Gedichte
Diese Gedichte findet ihr auch im E-Book “Voll die Leere” bei amazon.
Fragen & Antworten
Hier findet ihr Fragen, die mir zu Themen der Nicht-Dualität / Nondualität gestellt wurden. Es geht um Erwachen und Wachheit, das Ich (ob es existiert, was es ist, ob und wie man es los wird …), das Bewusstsein (was ist das?), Achtsamkeit und Präsenz und vieles mehr.
Wenn ihr auch Fragen habt, schreibt mir einfach eine Mail, ich antworte gerne. Unser Austausch wird eventuell hier veröffentlicht, ihr bleibt dabei anonym – außer wenn ihr ausdrücklich namentlich genannt werden möchtet.
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Artikel
Nondualität | Texte
Abwesenheit spüren?
Lieber Dittmar,
ich bin fleißig am Lesen deiner Texte und da hat sich folgende Frage aufgetan: Wie kann ich spüren!, dass bei all diesen (widersprüchlichen) Gedanken und Gefühlen doch “niemand” da ist, der handelt, sondern alles von selbst geschieht?
Gelesen habe ich bisher viel; verstanden ein wenig.
Darauf habe ich ein paar (widersprüchliche) Antworten, aber nicht DIE Antwort.
1. Antwort: Wie könntest du spüren, dass kein Gespenst im Zimmer ist? Die Abwesenheit von “etwas” zu spüren, das kennen wir nur als Gefühl von Vermissen (“Ach, Schatzi …!”) oder Erleichterung (wenn ein Schmerz weg ist).
Wenn es aber von vornherein nie ein Gespenst, ein Schatzi oder einen Schmerz gab, wie würde sich der “Unterschied” anfühlen?
2. Antwort: Widersprüchliche Gedanken und Gefühle sind ja ein Hinweis darauf, dass da keine Ich-Einheit als Einsatzleiter dahintersteht, sonst wären auch die Gedanken einheitlich oder wir wären mit den Gedanken immer einverstanden (d.h. keine anderen Gedanken würden ihnen widersprechen).
Das ist wie gesagt ein Hinweis, kein Gefühl … Vielleicht wird aber aus dem Hinweis eine Erkenntnis, die dann spürbar wird.
3. Antwort: In meinem Fall hat es sich so angefühlt, als wäre das, was den Laden zusammenzuhalten schien, plötzlich nicht mehr da. Das war, als ob ein Kleister alle Gedanken und Gefühle und Empfindungen aufeinander bezogen hätte – und dann war da kein Kleister mehr, sondern nur noch frei schwebende Empfindungen und Gedanken …
Und daraus kam die Erkenntnis: Da ist WIRKLICH niemand, der das alles macht! Es war also nicht so, dass ich erst etwas erkannt hätte und diese Erkenntnis dann spürbar geworden wäre, sondern ein “energetisches Zusammenhalten” hat aufgehört und das wurde erkannt. Das, wofür ich mich gehalten hatte, war nur eine Anspannung gewesen, ein Zusammenziehen.
… So ungefähr war es, das ist nicht wirklich in Worte zu fassen, und das heißt auch nicht: “So muss es sein”, so habe ich es halt erlebt.
Andere erleben das vielleicht ganz anders (vielleicht ganz undramatisch, siehe die ersten beiden Antworten).
Fazit (oder Zwischenstand): Da tauchen viele Gedanken und Gefühle und Sinneseindrücke auf. Taucht denn auch etwas auf, das du “Ich” nennst, oder ist das “Ich” nur der Inhalt von Gedanken … und da sind NUR Gedanken, Gefühle, Sinneseindrücke?
(Suggestivfrage!) (Aber interessant!)
Danke für die hilfreiche Antwort!
Zu 1: Ja es ist schwierig, etwas zu fühlen, was schon immer da ist. Manchmal hab ich so ein Gefühl von Weite, Unendlichkeit, Einssein, Glückseligkeit. Das würde ich vielleicht damit in Verbindung bringen. Das möchte ich natürlich öfters spüren und mein Ego sagt: “Ja, such das, das ist gut” und schon sitze ich vielleicht wieder in der Tun-Falle.
Manchmal taucht auch Angst auf. Was soll ich denn nur tun, wenn “nichts” mehr ist, wenn die Suche wegfällt (hat Spaß gemacht zu suchen). Was soll ich jetzt tun? An was orientieren? Keine Wünsche, nur noch Reaktion? Alles passiert von alleine; ich brauche nichts mehr zu tun – außer das was ich tue. Komisches Gefühl.
Zu 3: Gestern Abend bin ich essen gegangen. Ich habe die Leute beobachtet und da waren nur sinnliche Eindrücke: Figuren sind gegangen, Töne waren zu hören, der Wind war zu spüren, alles war für sich. So wie du sagst, der Kleister fehlte. Doch allzu schnell war ich wieder in allem verstrickt.
Ja, das “Gefühl von Weite, Unendlichkeit, Einssein, Glückseligkeit”! Das ist sehr schön, und es ist dann spürbar, wenn die Aufmerksamkeit sich auf den Hintergrund, die Quelle des Erlebens richtet und darin aufgeht.
Dann werden auch die “Dinge” in einem neuen Licht gesehen. Und dann ist es auch sehr verständlich, dass ein Gedanke sagt: “Das will ich immer haben” (ein Gedanke macht noch kein Ego!).
Ich hab darüber mal ein Gedicht geschrieben, du findest es hier: In voller Blüte.
Der Verstand verknüpft das Erleben von Einssein mit dem Empfinden von Weite, weil “Es” da so klar und eindrucksvoll und eindeutig empfunden wird.
Dann erscheint das Einsetzen von “normalen” Gedanken wie ein Rückfall, wie eine Verstrickung, und dann scheint es, als wäre der Kleister wieder da. Wenn aber keine Bedingungen daran gestellt werden, wie sich das Einssein zeigen soll, dann ist das kein Kleister, sondern vielleicht nur eine Empfindung von Anspannung oder eine Konzentration auf Inhalte, bei der der Hintergrund wieder in den Hintergrund tritt.
Daran ist nichts falsch. Es widerspricht nur der Vorstellung eines ständigen Schwebens in der Glückseligkeit, aber es ist halt das Leben in seiner ganzen Vielfalt, wie Ein- und Ausatmen.
Konzentrationsfähigkeit bleibt. Gedanken dürfen kommen. Sie sind weder ein schlechtes Zeichen noch wahr.
Und Wünsche kommen. Hunger ist der Wunsch nach Essen, Frieren ist der Wunsch nach Wärme. Alles ist völlig natürlich. Nur verlieren die Gedanken jede Glaubwürdigkeit, die behaupten zu wissen, wie das Leben (und damit ich) “eigentlich” sein müsste. Und das Leben darf so sein, wie es jetzt gerade ist (als ob es jemals auf eine Erlaubnis gewartet hätte!), mit allen Gedanken, Anspannungen und Entspannungen.
In dieser unbegrenzten Erlaubnis, in der Nicht-Identifikation mit urteilenden Gedanken, sortiert sich das Erleben, Denken und Verhalten neu. Die Erkenntnis ist nicht nur: “Da ist ja niemand”, nicht nur Abwesenheit, sondern das Erleben, was stattdessen wirklich da ist: “Da ist Liebe.”
Die Aufmerksamkeit richtet sich immer mehr auf die Liebe aus wie Eisenspäne auf einen Magneten. In der Anziehungskraft der Liebe (“Weite, Unendlichkeit, Einssein, Glückseligkeit”) legt der Organismus alte Muster ab, die auf der Vorannahme der Getrenntheit gegründet sind. Der Blick bleibt immer mehr in der liebevollen Offenheit.
Das geschieht von selbst, aus Liebe zur Liebe. Meiner Erfahrung nach werden nicht alle Muster sofort und für immer abgelegt, sondern in einem Lernprozess: Das Leben lernt.
Vexierbild
1als2
Ich kann sehen
Du bist so ein
Zauberwesen
Manchmal reden
Und manchmal der Gegensatz
Spatz auf dem Dach
Die Fremdsprache
Wund geredet
Im Ununumwundenland
Und das Wunder
Dem alles blüht
Der Zauber der
Als Wesen lebt
3 — 2 — 1 …

Schere – Stein – Papier: Dieselbe Hand.
Akzeptanz leben
Hallo Dittmar,
bei mir läuft es recht gut. Allerdings gibt es auch immer wieder viele unangenehme Zustände, die da auftauchen. Aber ich lerne, auch diese zu akzeptieren, da auch sie erlaubt sind. D.h. eigentlich brauche ICH sie weder erlauben noch akzeptieren, denn wenn die Zustände auftauchen, sind sie ja bereits da und müssen demzufolge nicht mehr akzeptiert werden.🙂
Die Idee, dass unangenehme oder unerwünschte Gedanken und Gefühle NICHT da sein sollten (oder dürfen), macht eigentlich alles nur schlimmer. Wenn man eine gute Zeit hat und man sich wohl fühlt, versucht man natürlich mit allen Kräften, diesen Zustand zu erhalten (zu “konservieren”). Das funktioniert aber leider nicht. Wenn ein unangenehmer Zustand auftaucht, will man ihn so schnell wie möglich los werden. Auch das funktioniert nicht. Der Zustand bleibt, so lang er eben bleibt.
Ich merke, wie sehr man durch die jahrelange Suche und das viele Lesen von Spirit-Literatur, das Aufsuchen von Satsang-Lehrern usw. doch vollgestopft ist mit Vorstellungen, was das Erwachen angeht. Ich finde das auch bei deinem Gesprächskreis manchmal etwas schwierig, da ich spüre, wie sehr manche an diesen Vorstellungen hängen, dass nach dem Erwachen bestimmte Zustände nicht mehr aufzutauchen haben. Ich sehe da eine Weigerung, mit DEM umzugehen, was DA ist. Wie siehst du das denn?
Im Moment beschäftige ich mich kaum mit diesem ganzen “Erleuchtungskram”. Ich beobachte einfach das Leben. Von Moment zu Moment. Und ich sehe auch, wie die Gedanken immer wieder alles als “meins” in Besitz nehmen wollen. Dabei hat das alles im Grunde überhaupt nichts mit “mir” zu tun. Und es sind halt auch einfach nur Gedanken, die auftauchen und wieder verschwinden.
Herzliche Grüße
Liebe …,
das mit der Akzeptanz ist eine sehr interessante Frage.
Dass es kein “Ich” gibt, ist intellektuell sehr leicht zu verstehen – nur macht diese intellektuelle Einsicht (meiner Ansicht nach) sehr wenig Unterschied, sondern ist einfach nur eine neue Philosophie mit den üblichen Dogmen.
Ichlosigkeit wirklich zu erleben, das ist ein großer Unterschied. Das heißt erleben, was durch Ich-Vorstellungen verschleiert wurde: diese absolute, allgegenwärtige, unbedingte, bedingungslose Liebe, die sich als alles manifestiert.
Es fällt nicht wirklich ein “Ich” weg (das ja nie existiert hat), sondern der Glaube daran, die Gefühlsreaktionen, als ob es ein Ich gäbe – sowohl im “eigenen” Organismus als auch in den “anderen”.
Was bleibt, ist das ErLeben als ungeteiltes Ganzes mit allen Erscheinungen darin: Sinneseindrücke, Gedanken … Ein Erleben, dass alle Erscheinungen “innen” und “außen” Ausdrucksformen derselben liebevollen Lebendigkeit sind.
Diese eine Lebendigkeit in allem ist Liebe, Frieden, Freiheit, diese ganzen Hippie-Begriffe. Das ist meiner Auffassung nach das einzige, worauf es ankommt. Nicht intellektuelle Klarheit, sondern Liebe.
Zum Akzeptieren und zur Unnötigkeit des Akzeptierens: Ja, was erlebt wird, ist schon da und wartet nicht auf Akzeptanz. Und ja, Verbote und “Sollte”s machen einen Zustand eher schlimmer, verfestigen ihn eher.
Die Abwesenheit von “Sollte”-Denken bedeutet aber weder Resignation noch Passivität.
“Ich habe Hunger – mei, so ist es halt”, das ist ja nur dann sinnvoll, wenn es keine Möglichkeit gibt, an Essen zu kommen, oder wenn man fasten will. Im Normalfall heißt Akzeptanz nur das Wahrnehmen des Hungergefühls. Dann kann auf diese Wahrnehmung eine Handlung folgen, nämlich, etwas zu essen.
Oder “Ich habe immer wieder Rückenschmerzen – mei, so ist es halt” im Gegensatz zur (akzeptierenden, neugierigen, liebevollen) Erforschung, wo die Schmerzen sind, wann sie auftauchen (bei welcher Bewegung oder Haltung), ob es andere Bewegungsmuster gibt, die den Schmerz nicht auslösen, usw.
Durch (z.B. Feldenkrais-) Experimente lerne ich sinnvollere Bewegungsmuster und dadurch habe ich viel weniger Schmerzen als früher. Die Experimente beginnen mit “Akzeptanz”: mit Bewusstheit über eine Bewegung und wie sie sich anfühlt. Dann probiert der Körper Variationen aus, und wenn die sich besser = leichter anfühlen, übernimmt er sie. Vielleicht nicht sofort in jeder Situation, aber das Lernen des Neuen und Ablegen des Alten hat begonnen.
Wozu Zähne putzen, wozu Haare und Nägel schneiden, statt sie zu akzeptieren, wie sie sind? “Das Shirt passt mir nicht mehr / ist schmutzig / zerschlissen – naja, ich akzeptiere, dass ich es trage” ist nicht wahrer / freier / ichloser / akzeptierender als “… und ich lege es ab.”
Was für diese körperlichen Beispiele gilt, stimmt meiner Ansicht nach genauso für mentale Erscheinungen: Gedanken und Emotionen.
Manche alten mentalen Muster tauchen bei mir immer noch auf, vor allem Bedingungen, wie andere Leute mich behandeln sollten. Wenn so eine Bedingung verletzt wird (“He, rede nicht in so einem Tonfall mit mir, unterbrich mich nicht! …”), dann kommt Wut auf und die Aufmerksamkeit verengt sich aufs Durchsetzen der Bedingung. Ein Streit-Modus setzt ein, wodurch die Liebe und der Frieden, die sonst als Grundzustand da sind, in den Hintergrund des Erlebens geraten. Das fühlt sich schmerzhaft an. Und nicht wie ein klarer, eindeutiger Ausdruck von Liebe, Frieden und Freiheit, sondern wie Ärger, Kampf und Zwang.
Wenn ich schaue, wozu diese Bedingungen ursprünglich übernommen wurden, dann sehe ich, dass sie Liebe, Frieden und Freiheit versprochen haben, und dass die “Wehe-wenn!”-Mechanismen für die Durchsetzung der Bedingungen kämpfen, um Liebe, Frieden und Freiheit zu ermöglichen. Was sie erreichen wollen, ist genau das, was ohne Kampf schon da ist, und was im Kampf in den Hintergrund gerät.
Diese Bedingungen werden nicht von “mir”, von keinem “Ich” gestellt und sind auch nicht für den Organismus wichtig, sondern sie sind einfach nur konditionierte Vorstellungen, wie “es” sein sollte. Automatische Muster, wie Selbstschussanlagen. Und daher geht es nicht mehr darum, andere daran zu hindern, in die Lichtschranke zu laufen und die Selbstschussanlage auszulösen, sondern darum, die Selbstschussanlage zu deaktivieren.
Das ist keine Arbeit und keine Technik, sondern kommt von selbst durch die klare Erkenntnis, was die Anlage/Bedingung bringt (Stress) und was sie kostet (Frieden).
Ich will einfach lieber feiern. Das heißt nicht, dass immer alles lustig sein muss, es gibt ja auch Trauerfeiern. Meinem Vater geht’s z.B. grad ziemlich schlecht, da bin ich traurig und finde es völlig ok, sowohl was mit ihm geschieht als auch mein Gefühl dazu, das sehr friedlich ist. Aber Streit fühlt sich wie eine Unterbrechung der Feier an, unfriedlich, “unangenehm”.
Und wenn ich schaue, welche Zustände unangenehm sind, dann sind die immer die Reaktion auf eine Bedingung, deren Nichterfüllung “unannehmbar” scheint. Anders gesagt: Sie weisen auf einen einzigen Gedanken hin, der in vielen Formen behauptet: “Es soll anders sein.”
Wendet sich die Aufmerksamkeit von ihrer liebevollen, friedlichen Quelle ab, um diesem Gedanken zu dienen? Oder sieht sie ihn mit liebevollen, friedlichen Augen als die Verwirrung, die er ist? Sieht sie, dass das Ausagieren dieses Gedankens “Es soll anders sein” Schmerzen statt Freude bringt, dann hat der Gedanke keine Motivation, keine Energie mehr.
Es fühlt sich einfach so viel besser an, der Welt nicht vorschreiben zu müssen, wie sie sein soll, sondern sie frei zu lassen und dadurch frei zu sein! Nicht aus ohnmächtiger Resignation, sondern aus Liebe. Die Liebe gilt sich selbst, unabhängig von Erscheinungen. Und sie gilt dem Erscheinenden, frei von Bedingungen.
Das ist für mich ein neues /altes Kriterium, ob die Situation ein klarer Ausdruck von Liebe ist. Nach dem flashigen ersten Erleben, dass kein Ich und keine wirkliche Trennung existiert, und dass nichts dazu geschehen muss, um einen “Zustand der Ichlosigkeit” zu erreichen, war ich über Jahre fasziniert davon, dass auch das Stellen von Bedingungen und die daraus resultierende Wut, wenn sie nicht erfüllt sind, genauso Erscheinungsformen derselben Lebendigkeit sind. Das sehe ich immer noch so. Aber ebenso wahr ist, dass es im Leben keine Stagnation gibt und dass das Leben – vor allem in / als Menschen – immer weiter lernt und sich entwickelt. Dass es Behinderungen abstreift. Dass es alte Verhaltensweisen und Ausdrucksformen ablegt und schönere findet. Deshalb lernen Kinder einen immer größeren Wortschatz, immer mehr Fähigkeiten, immer geschmeidigere Bewegungsmuster. Deshalb lernen Menschen Musikinstrumente oder Yoga oder Tai Chi oder Knutschen. Schöne, freie Ausdrucksformen der Liebe und Lebendigkeit und Verbundenheit.
Dadurch wird keine “höhere Stufe” erklommen, sondern lernende Intelligenz lebt sich aus, sonst nichts.
Kleiner Nachtrag: Stellenweise habe ich in “So ist das”-Sprache geschrieben. Die Mail ist aber nicht als Empfehlung gemeint, nicht als allgemeingültiges “So soll es sein”, sondern als Beschreibung meines Erlebens, als Antwort auf die Frage, “wie ich es denn sehe”.
Liebe Grüße
Dittmar
Alles Du

Kein Bezugspunkt
Alles Du
Unbekanntes
Unbemanntes
Erleben
Die “Ich”-Vorstellung
Was in diesem Buch das “Ich” genannt wird, ist die Vorstellung, vom Rest der Welt getrennt zu sein: ein eigenständiges Wesen, das Entscheidungen trifft und sie in die Tat umsetzt. Doch der Denker, Entscheider, Macher, für den wir uns halten, existiert nur in Gedanken. Das “Ich” ist kein Wesen, sondern eine Aktivität: eine Interpretation, die alles Erleben auf ein imaginäres Zentrum bezieht. Dieses Zentrum scheint allem “anderen” gegenüberzustehen.
Vom “Gegenüber”-Standpunkt aus betrachtet erscheint die Welt als Problem. Wir sehen uns mit der Schwierigkeit konfrontiert, dem Leben die Erfüllung unserer Wünsche abzuringen: festzuhalten, was das “Ich” stärkt, und fernzuhalten, was ihm nicht ins Konzept passt. Das “Ich” verspricht die Macht, das Leben wunschgemäß zu steuern. Aber der Preis für diese Vorstellung ist, dass immer etwas zu fehlen scheint. Denn das “Ich” ist nur eine Fiktion, und wenn wir uns auf eine Fiktion reduzieren, dann fühlen wir uns unvollständig und irgendwie irreal.
Weil das “Ich” auf so wackligen Beinen steht, verlangt es viel Bestätigung und Liebe und entpuppt sich überhaupt als sehr wartungsintensiv. Es ist sein eigenes Sorgenkind, ständig auf der Suche nach etwas “anderem”, das ihm Kraft und Sicherheit verleihen könnte. Von der Erfüllung seiner Bedingungen erhofft es sich das Ende seines Leidens. Aber eigentlich leidet es unter der scheinbaren Trennung von allem “anderen”, die es nie überwinden kann, weil es nur in der Illusion von Getrenntheit und Eigenständigkeit besteht.
In der “Ich”-Vorstellung endet die Suche, wenn alle Wünsche erfüllt sind. Aber hat das schon jemals funktioniert? Wie lange dauert es, bis die Unzufriedenheit wieder aufflammt, die das “Ich” und damit die Suche in Gang hält? Es ist, wie wenn man einen Luftballon zusammendrückt: Die Luft darin verschiebt sich nur an eine andere Stelle. Wenn dieser Mechanismus durchschaut wird, dann richtet sich die Veränderungslust schnell auf das “Ich” selbst. Jetzt versucht es, “besser” zu werden (besonders spirituell, besonders liebevoll …) oder sich im Streben nach Erleuchtung sogar ganz aufzulösen.
Aber wenn die Suche auch nur für einen Moment aufhört, dann zeigt sich etwas Überraschendes: Was gesucht wurde, ist schon hier – die Präsenz, in der alles erlebt wird. Alle Bedingungen und Vorbehalte, die ans Erleben gekoppelt waren, verlieren ihre Bedeutung, und die Gegenwart, so wie sie gerade erscheint, wird als Erfüllung erkannt. Die Liebe, die immer gesucht und meistens übersehen wurde, ist das Erleben selbst! Nichts Besonderes, sondern alles.
(aus “Problemzone Universum – Vorhang auf für die Ich-Vorstellung”)
Voll die Leere
Massive Wand
Luftiger Raum
Dies ist das Paradies
Der Schoß
Für jeden Schmerz
Glitzerndes Nachtmeer
Pixel im Fließen
Aus der Traum vom Exil
Du vergehst
Vor Liebe
Aus allem schaut dasselbe
Lieber Dittmar,
1.) Zum Thema: Die Erfahrung zu haben, alles zu sein. Da höre ich dich gleich sagen: “Das ist auch nur eine von vielen Erfahrungen.” 🙂 Also ich höre es immer wieder mal, dass Menschen sagen, sie hätten diese Erfahrung. Mir kommt sie sehr erstrebenswert und sehr verlockend vor. Würdest du sagen, dass es eine Erfahrung ist, die kommt und geht und unerheblich für das Erwachen ist? (Bei der Frage merke ich natürlich ein “Haben wollen” bzw. ein “Hinkommen wollen”.)
Ich frage mich manchmal, ob diese Erfahrung nicht einfach so geschieht, wenn sich “Bewusstsein bewusst bewusst ist”, wie du es mal so schön ausgedrückt hast. Also eine Erfahrung, die “ich” öfters mache. Doch meistens denke ich doch, dass es eine besondere Erfahrung ist. Am Anfang meiner Satsang-Zeit hatte ich ja auch öfter besondere Erfahrungen davon, jemanden anzusehen und das Gefühl zu haben, ich schaue mich an oder das Sehen, dass das Göttliche durch alle Menschen schaut und alle Ausdruck des Göttlichen sind.
Das führt mich gleich zu der zweiten Frage:
2.) Du erwähntest beim letzten Gesprächsabend die Erfahrung, dass aus allem dasselbe schaut … Ich bin mir gerade nicht sicher, ob ich da weiß, was du meinst. Ich sehe es so, dass das wieder etwas anderes ist als meine Erfahrung damals. Und mein Gefühl ist, dass diese Erfahrung mir irgendwie auch vertraut ist – wenn ich der Feinheit der Erfahrung traue … Wie ist deine Erfahrung dazu ?
3.) Die dritte Frage ist nicht so leicht zu formulieren – aber ich versuch’s mal: Wenn du solche Sachen sagst wie: “Statt Gedanken zurückweisen lieber dem vertrauen, was jenseits der Gedanken ist” oder “Glück ist, wenn die Gegenwart interessanter ist als das, was gedacht wird”, dann liebe ich das! Aber ist da nicht auch bei mir der Ich-Gedanke am Werk, der sieht, dass es besser ist, mit der Aufmerksamkeit in der Gegenwart zu ruhen? Oder ist es eher so gemeint, dass das von dir (als ein Ausdruck des Lebens) gesagt wird und dann von uns (als Ausdruck des Lebens) gehört wird? Das soll heißen, dass es das Leben zum Leben sagt…..
Ganz liebe Grüße
Lieber …
Das Erleben, dass da nur Eins ist, das sich in unendlich vielen Formen zeigt, IST das Erwachen (in meiner Beschreibung). Dass alle “anderen”, alle Empfindungen, Wahrnehmungen, Gedanken usw., alles Ausdrucksformen desselben Absoluten sind. Ausdruck der einen liebevollen Lebendigkeit, die alles erfüllt, alles ist. Das wird klar und fühlbar, sobald sich die Aufmerksamkeit dem Bewusstsein zuwendet und “Bewusstsein bewusst bewusst” ist. “Alles ist Das”, “alles ist Ich”, “alles ist Du” … das ist alles dasselbe.
Wenn die Aufmerksamkeit sich auf eine spezielle Erscheinung(sform) konzentriert, dann kann dieses Erkennen des Einen als Eins in den Hintergrund treten. Aber es erscheint nie “anders”, nie als ob etwas die Getrenntheit bestätigen würde oder die Illusion glaubhaft machen würde. Das, was “andere” anschaut, ist dasselbe, was durch sie zurückschaut. Was schaut ist was schaut. Da ist nur Schau(en). Die Erfahrung ist vertraut und immer wieder ganz neu, nie “Jaja, ich weiß schon”; sie “bleibt” einzigartig und nutzt sich nicht ab. Und sie ist nie “weg”, sondern manchmal im Hintergrund und manchmal im Vordergrund des Erlebens.
Ich erkenne keinen Unterschied zwischen Frage 1.) und 2.), vielleicht hilfst du mir da auf die Sprünge?
Frage 3.) Ja, das Leben sagt es zum Leben. 🙂
Wenn jemand sagt: “Weißt du, was super schmeckt? Wenn du ein Fitzelchen Zitron von Schale in den Espresso tust!” (Bonusfrage: Zitat aus welchem Film?), dann kann der Gesprächspartner sagen:
a) “Ok, das probiere ich mal aus!”
b) “Stimmt, das ist auch meine Erfahrung!” / “Mir schmeckt das gar nicht!”
c) “Ich will das nicht ausprobieren!”
d) “Aber da ist ja niemand, der das ausprobieren kann!”
Bei Antwort d) weißt du: Der hat Advaita-Bücher gelesen.
Natürlich können Empfehlungen hilfreich sein! Natürlich brauchen sie kein “Ich”, um ausprobiert zu werden! Und natürlich kann ein “Ich”-Gedanke sie sich aneignen, so wie er sich alles aneignen kann, auch den Gedanken “Da ist ja niemand, der das ausprobieren kann! … und ich bin jemand, der das erkannt hat.” Aber Ausprobieren kann geschehen und geschieht.
Es stimmt auch, dass Empfehlungen die Illusion eines Machers verstärken können – vor allem wenn es um angebliche Schritte geht, die der Macher tun kann, um seine Abwesenheit zu erkennen.
Die Beschreibung, dass die Gegenwart interessanter ist als die Gedanken, lenkt die Aufmerksamkeit auf eine einfache und sofort überprüfbare Tatsache, so wie die Aussage: “Da ist die Schwerkraft, sie ist spürbar.” Die Aussage kann gedanklich aufgefasst werden: “Ok, das werde ich bei Gelegenheit mal anwenden!”, oder erlebt werden. Gedanklich aufgefasst ist es halt nur ein Gedanke mehr.
Erlebt ist es ein Erkennen der Wirklichkeit. Ein Erkennen der Liebe im Moment und zum Moment, ein Wieder-Erkennen der Liebe diesseits und jenseits von Gedanken. Und ein momentanes Loslassen der Gewohnheit, Gedanken mehr zu vertrauen als dem ErLeben. Liebe, Frieden, Freiheit sind im gegenwärtigen Schauen. Das ist, was alle wollen. Nur suchen viele in Gedanken nach Wegen, die zu Liebe, Frieden und Freiheit führen. Die Reaktion auf “Schau!” ist Schauen (ohne “jemanden, der schaut”) … oder eben Gedanken, die begründen, warum Schauen nicht möglich / nicht nützlich / nicht nötig ist.
Eins noch zum Haben-Wollen: Tausend Beschreiber beschreiben ihr Erleben auf tausend Arten. Ich habe mal von einem gelesen, der seit dem Erwachen alles in gleißendem Licht sieht, was beim Schlafen lästig sein könnte. Das einzige Kriterium, das ich interessant finde, ist: Ist es Liebe, dann ist es Wachheit. Alles andere ist egal.
Natürlich will jeder Liebe erleben, weil er Liebe ist.
Liebe & Grüße!
Dittmar
Blütenmeer

zeigt sich jetzt als einziges Blütenmeer.
Das Eine verzweigt

Geht entzwei
Was zwei scheint
Ist
Das Eine verzweigt
Das Lächeln der Unendlichkeit

Der Ruf

Der Weg

Gott geht mit Wanderstöcken
an sich vorbei.
Mai …
Die Antwort auf alle Fragen
Lieber Herr Kruse,
heute Vormittag habe ich Ihr Buch “Glück ohne Schmied” gelesen. Obwohl “ich” (ich verzichte künftig auf die Anführungszeichen, Sie kennen ja das Dilemma der Sprache) mit dessen Grundaussagen bereits lange vertraut bin, hat mich die Lektüre doch wieder daran erinnert, den Fokus genauer auf die Wahrnehmung, auf das direkte Erleben, zu richten und dadurch das permanente Wunder des Seins zu erkennen. Dafür danke ich Ihnen herzlich! Sie laden den Leser am Ende Ihres Buches dazu ein, Ihnen zu schreiben und auftauchende Fragen zu stellen. Diese Gelegenheit möchte ich gerne wahrnehmen.
Seit einem “Einheitserlebnis” vor vier Jahren habe ich das “Sein” für ca. eine Stunde direkt erlebt, ohne einengende, da nicht „ernst genommene“ Gedanken (resp. Geschichten, Konzepte etc.). Seitdem ist mir bewusst, dass es nur den jetzigen Moment gibt, dass Vergangenheit und Zukunft nur Geschichten sind, genauso wie das Konzept des „Ich“. Besonders entscheidend war für mich die Einsicht, dass auftauchende Gedanken überhaupt kein „Problem“ sind. Problematisch kann’s erst dann werden, wenn man diese Gedanken (etwa den „Ich-Gedanken“) für mehr nimmt als eben – einen Gedanken.
So weit, so gut. Woran ich dann aber doch immer wieder hängenbleibe, sind Fragen, die sich auf die “Wirklichkeit” der Welt beziehen. Gibt es die Welt überhaupt? Gibt es den eigenen Körper? Oder sind auch dies nur Gedankengebilde, Konzepte? Für mich spitzte sich diese Frage vor allem zu einer Frage zu: Sind meine Gedanken die Produkte meines Gehirns oder ist mein Gehirn das Produkt meiner Gedanken? Aus konsequenter (meinetwegen: phänomenologischer) Perspektive müsste m.E. die zweite Antwort die richtige sein. Alles ist letztlich ein Gedankenkonzept, das eben im Jetzt, im direkten Erleben, auftaucht, aber gewissermaßen keinen “ontologischen Status” besitzt. Und dies gilt denn auch für Konzepte wie Kausalität und Zeit. Würden Sie dieser Einschätzung zustimmen oder nicht so weit gehen?
Besonders intensiv taucht “hier” immer wieder die Frage nach der “Wirklichkeit” des “anderen Menschen” auf. Ich bin mir mittlerweile bewusst (diese paradoxe Formulierung ist freilich nur der Sprache geschuldet), dass es das “Ich” als Instanz nicht gibt, dass das “Ich” lediglich ein Konzept ist wie “Du” und “Menschen” allgemein. Das Einzige, was ich nicht nur als Konzept erlebe / begreife, ist das “direkte Erleben”, die Wahrnehmung mit all ihren Aspekten (formuliere ich es so, ist es natürlich nicht mehr die direkte Wahrnehmung – das ewige Dilemma der Mystik …). Aber: Die “direkte Wahrnehmung” ist “hier”, das ist mir eindeutig evident, gerade weil sie kein Nach-Denken benötigt. Inwiefern kann ich aber wissen, ob es die “direkte Wahrnehmung” “dort” (beispielsweise “bei Ihnen in München”) auch gibt?
Ist das nicht einfach wieder nur ein Gedanke, der eben “bei mir hier” auftaucht, aber eben nur ein Konzept ist? Oder aus Ihrer Perspektive formuliert: Können Sie wissen, ob “dort” (beispielsweise “bei mir in Berlin”, eben nicht bei Ihnen) ebenfalls direktes Erleben stattfindet? Und wenn dies nicht möglich ist, liefe das nicht auf ein solipsistisches Weltbild heraus – freilich auf einen Solipsismus ohne Ich?
Lieber Herr Kruse, ich weiß weder, ob ich Ihnen das Problem, das hier immer wieder auftaucht, einigermaßen verständlich machen konnte. Noch weiß ich, warum ich Ihnen dieses Problem überhaupt mitteile. Vielleicht ist hier die Hoffnung auf eine Antwort, die das ewige Fragen endlich zur Ruhe bringen könnte. Jedenfalls tauchte der Impuls auf, Ihnen diese Mail zu schreiben. Vielleicht haben Sie ja den Impuls, darauf zu reagieren? Ich würde mich sehr darüber freuen!
Danke für Ihre Fragen!
Wie Sie schreiben: “Problematisch kann’s erst dann werden, wenn man diese Gedanken (etwa den ‘Ich-Gedanken’) für mehr nimmt als eben – einen Gedanken.”
Das gilt ebenso für Fragen wie: “Gibt es … oder nicht?” Auch das sind ja Gedanken.
Ihr Einheitserlebnis hatte ja wahrscheinlich nichts damit zu tun, dass Sie auf jede mögliche Frage eine Antwort wussten. Das ist die gedankliche Vorstellung von Klarheit: auf jede Frage eine eindeutige Antwort zu haben.
“Wenn Antwort A richtig ist, dann muss Antwort B falsch sein” – so die Sichtweise und Logik von Gedanken. “Entweder A existiert oder A existiert nicht.” “Ist das Illusion oder Realität?”
“Das permanente Wunder des Seins”, wie Sie es nennen, besteht ja nicht darin, eine Erklärung für alles zu haben. Sondern im Staunen über die schillernde Unbegreiflichkeit und Unbegrifflichkeit des Seins, manifestiert in der zeitlosen Gegenwart.
Im Wunder des Einen als Vielheit (1als2 heißt meine Webseite), in all diesen Paradoxien. Nicht im “Entweder-Oder”, sondern im “Sowohl-Als auch” und im “Weder-Noch”.
“Sind meine Gedanken die Produkte meines Gehirns oder ist mein Gehirn das Produkt meiner Gedanken?”
Ja, beides. Und weder noch. Je nachdem. Ein Gehirn scheint sehr wichtig, um Gedanken produzieren zu können. Das zeigt sich deutlich, wenn das Gehirn in seiner Leistungsfähigkeit beeinträchtigt wird, z.B. durch Alkohol, organische Schädigungen wie Schlaganfall oder einfach nur durch Müdigkeit. Wenn das Gehirn nicht gut funktioniert, wirkt sich das drastisch auf die Gedanken aus. Und gleichzeitig tauchen all diese Gedanken an und über das Gehirn ja eben gerade als Gedanken auf: “Mein Gehirn” ist ein Gedanke.
Dass etwas direkt erlebt wird, heißt nicht, dass es wahr ist (siehe Halluzinationen); dass etwas nicht direkt erlebt wird, heißt nicht, dass es nicht existiert. “Wenn ein LKW auf Sie zu rast, schließen Sie einfach die Augen und halten sich die Ohren zu, dann ist er verschwunden!” – ich würde mich nicht darauf verlassen.
Die einzige verlässliche “Tatsache” scheint mir: Da ist Erleben. Ob das ein Traum ist, ein Gedanke oder Buchstaben auf einem Monitor: Da ist wirklich Erleben; Lebendigkeit, die jetzt gerade erlebt und erlebt wird.
Und was erlebt wird, ist ein Zusammenspiel von allen Sinneseindrücken, die gerade da sind. Diese Eindrücke sind das Zusammenspiel vom Organismus und seiner Umwelt. Das kann von Gedanken unterteilt werden: Hier Organismus, dort Umwelt. Im direkten Erleben ist immer beides gleichzeitig da und spielt zusammen. Beides taucht im Bewusstsein / als Bewusstsein auf. Dieses Bewusstsein manifestiert sich als Erscheinungen, die durch einen bestimmten Organismus wahrgenommen werden; die Erscheinungen sind nicht unabhängig vom Organismus und vom Bewusstsein. Und der Organismus ist selbst eine Vielzahl von Erscheinungen.
Was Sie über “mich hier in München” denken, ist natürlich ein Gedankenkonstrukt, ebenso wie meine Gedanken an “Sie dort in Berlin” (und “meine” Gedanken an “München” und “mich” und “sonstige Gedanken”).
Ich verwechsle Sie nicht mit den Gedanken an Sie, gehe aber (sagen wir mal “intuitiv”) davon aus, dass bei Ihnen ebenfalls direktes Erleben ist. Beweisen könnte ich es nicht, fordert ja auch keiner.
Mein Bild zu unseren beiden Organismen ist wie zwei Äste an einem Baum. Die erleben unterschiedliche Dinge: Auf einem landet gerade ein Vogel, der andere verliert ein paar Blätter im Wind … Und doch sind beide Manifestationen desselben Baums und SIND derselbe Baum. 1als2.
Um meine Antwort in einem Satz zusammenzufassen: Die Wirklichkeit liegt jenseits von Gedanken und kann von ihnen nie erfasst werden. Daher sind Gedanken hilfreich zum Planen, aber laden sonst oft nur zur Verwirrung ein. Ok, ich dachte, es würde nur ein Satz.
Lieber Herr Kruse,
ganz herzlichen Dank für Ihre schnelle und ausführliche Antwort! Ich finde es wirklich klasse, dass Sie so detailliert auf meine Fragen eingegangen sind, und das auch noch an einem Feiertag.
Ihre Nachricht hat eine paradoxe Wirkung auf mich: Einerseits löst vor allem Ihre Erinnerung, dass natürlich auch Fragen wie “Gibt es / Gibt es nicht?” lediglich Gedanken, also dualistische Formen, sind, große Erleichterung in mir aus – so, als ob ich mir durch diese Erkenntnis nun nicht mehr die Mühe machen muss, mir diese Fragen ständig zu stellen. Andererseits verursacht gerade diese Erkenntnis aber auch, dass Unruhe und Enttäuschung in mir aufsteigen, verbunden mit dem Gedanken, dass ich dann ja “nie etwas sicher wissen” kann. Und die weitere Erkenntnis, dass freilich auch dies nur ein Gedanke ist, kann mich (im Moment zumindest) leider auch nicht beruhigen.
Und trotzdem ist da eine Ahnung in mir, dass genau diese Einsicht, dass letztgültige Antworten niemals gefunden werden können, zur Ruhe führt oder, um es schön paradox zu formulieren: dass die Lösung aller Fragen ist, dass es keine Lösung gibt.
Dies nur als kurzes Feedback. Ich werde mir Ihre Sätze noch häufig “durch den Kopf gehen lassen”. Nochmals ganz herzlichen Dank für Ihre Antwort und auch für den Hinweis auf Ihre Webseite, auf die ich schon sehr gespannt bin.
Ich antworte Ihnen gerne, gerade am “Tag der (deutschen) Einheit”!
“Die Lösung aller Fragen ist, dass es keine Lösung gibt.” … Ich würde sagen: Die Lösung solcher Wirklichkeitsfragen ist zu erkennen, dass Gedanken eine abstrahierte, verzerrte Scheinwelt erzeugen, die der Wirklichkeit ähnelt, aber sie nicht erfassen kann.
Und dass gedankliche Antworten auf gedankliche Fragen der Wirklichkeit bestenfalls einigermaßen ähneln, aber nie, nie, nie, nie, nie die Wirklichkeit erfassen, die jenseits der Gedanken liegt.
Sich an Gedanken zu halten, die Sicherheit versprechen (“DIE Antwort”), führt zu Dogmen und zu Dogmatik.
Und fürs Denken ist das vielleicht erst mal frustrierend zu erkennen: Es gibt Bereiche, in denen das Werkzeug “Denken” nicht greift.
Dann kann es aber auch sehr erleichternd sein. Denn das Denken braucht sich nur noch um die Bereiche kümmern, für die es zuständig ist: Planung usw., und muss nicht mehr für ALLES zuständig sein.
Das Denken hat Fragen, die im Denk-Modus faszinierend und vor allem wichtig erscheinen und oft überhaupt nur im Denken existieren: “Der Dorfbarbier rasiert die Männer, die sich nicht selbst rasieren. Rasiert er sich selbst?”
Und das Denken kann mit solchen Fragen spielen, wenn es Spaß daran hat, aber dabei wird es keine Sicherheit oder die Antwort auf alles finden (die bekanntlich “42” ist).
Die faszinierendste aller Fragen finde ich: Was ist “JETZT”?, eben weil alle gedanklichen Antworten darauf völlig unzureichend sind und die einzig interessante Antwort nur in der gegenwärtigen Offenheit besteht.
Die Antwort ist Stille. Stille für das, was sich jetzt zeigt.
Dies
Dies ist die Oberfläche von Nichts
Ein hauchdünner Film
Über Stille
Nichts dahinter und alles darin.
Dies ist die Form
Die Dein Blick annimmt.
Diese Worte fallen in Dich
Schweben
Und verwandeln sich
Und Nichts bleibt.
Dies ist Erleben
Das ist alles.
Dittmar Kruse
Heilpraktiker für Psychotherapie in München. (Details hier).
Autor von Hörbüchern, CDs und bisher drei Büchern:
Glück ohne Schmied
Problemzone Universum
Der Teen-Coach
(Mehr dazu unter KruseVerlag.de)
Fragen? Kommentare? Anmeldung?
Das Unterbewusstsein
Lieber Dittmar,
danke für die aufschlussreichen Einblicke! Ich schätze dich sehr als jemanden, der Nondualität verkörpert, ohne sich auf einen Guru-Sockel zu stellen. Momentan scheint es für mich aber trotzdem nicht anzustehen, an deinem öffentlichen Chat teilzunehmen.
Zwei Fragen habe ich trotzdem:
Obwohl die getrennte Ich-Instanz eine Illusion ist, wird gemeinhin von einem energetischen Tod gesprochen, der notwendig ist, bevor jemand das All-Eins-Sein komplett verkörpern kann. Wie siehst Du das? Und was ist mit dem Unterbewusstsein? Grenzenloses Bewusstsein schließt doch das Unterbewusstsein mit ein – ist es insofern nicht wichtig, das persönliche und das kollektive Unbewusste zu integrieren, damit Ganzheit realisiert wird?
Danke und herzliche Grüße
Danke für deine Mail!
Wie immer halte ich es für sinnvoll, möglichst wenige Konzepte zu verwenden und stattdessen zu schauen, was wirklich erlebt wird. Und wenn ein Begriff wie “Unterbewusstsein” verwendet wird, ihn zu definieren, um zu schauen, ob wir dasselbe meinen.
Die einfachste Definition finde ich “Das, was gerade nicht bewusst ist” und würde das synonym verwenden mit “Das, wo die Aufmerksamkeit gerade nicht ist”.
Der Begriff “Unterbewusstsein” klingt so, als wäre das ein Wesen statt einfach nur “Das, was (jetzt gerade) nicht bewusst ist”.
Mit anderen Worten finde ich den Begriff “Unterbewusstsein” unnötig, und “Das Unbewusste” auch, so wie es keinen Begriff braucht für “Das, was gerade nicht wahrgenommen wird”.
Vielleicht ist deine Definition von “Un(ter)bewusstsein” auch ganz anders, was verstehst du denn darunter?
Meine Beschreibung: Da sind Muster, Gewohnheiten, Automatismen der Aufmerksamkeit und der Reaktionen auf das Wahrgenommene. Selbstverständlichkeiten, Überzeugungen, die vorausgesetzt und nicht hinterfragt werden.
Manche Muster können bewusst werden (z.B. Atem-Muster, Denk- und Sprechweisen), manche nicht (z.B. Aufschlüsseln der Nahrung nach Nährstoffen und Abfall).
Zum “energetischen Tod”: Er ist das Ende der Illusion, dass es “meine” Energie inmitten von “anderen” Energien gibt. Das Erleben des einen Energiemeers, von dem nichts ausgenommen ist, und der Stille darin, von der nichts ausgenommen ist.
Die Energie fließt auch in Mustern, die Wirbel bilden oder stagnieren können (siehe oben). Diese Muster sind nicht getrennt vom Gesamtgeschehen, von der momentanen Energie-Konstellation, nur gehen dysfunktionale Muster von anderen Gegebenheiten aus: von der Situation zu der Zeit, als sie entstanden sind; von der Notwendigkeit, etwas zu verteidigen oder zu bekämpfen oder zu ignorieren und sonstigen Irrtümern.
Dafür kann es ein Update geben: In der Erkenntnis, dass die Muster etwas ganz Unpersönliches sind, im Erkennen der einen Leere in allen Erscheinungen, in allen Mustern, kann die Energie spontan in neuen Bahnen fließen, die sich stimmig, friedlich und liebevoll anfühlen.
Herzliche Grüße
Dittmar
Hallo Dittmar,
herzlichen Dank für die aufschlussreichen Impulse. Wenn Du für Deine investierte Zeit einen finanziellen Ausgleich möchtest, lass mich bitte Deine Kontonummer wissen.
Zum Thema “energetischer Tod und überpersönliche Energie-Muster” kann ich gut nachvollziehen, was Du meinst.
Mit dem Unterbewusstsein meine ich das, was Eckhart Tolle den Schmerzkörper nennt. Das, was mich entweder zur Täterin oder zum Opfer macht, was sich manchmal wie ein Dämon anfühlt und manchmal wie ein quengeliges Kleinkind. Entsprechende Projektionen gehören für mich ebenfalls zum Begriff Unterbewusstsein. Die Auseinandersetzung mit neueren Erkenntnissen aus der Traumaforschung hinsichtlich meiner eigenen traumatischen Energien ist meine persönliche psychologische Ebene dieses Phänomens Schmerzkörper.
Konkreter ausgedrückt erlebe ich z.B. in Begegnungen oftmals eine feindselige Haltung in mir, obwohl ich eigentlich freundlich sein möchte, und habe dann keinen Einfluss auf mein Verhalten. Oder wenn ich Angst habe im Umgang mit Menschen, bekomme ich ein ganz strenges Gesicht – ein Phänomen, welches ich als sog. “Täterintrojekt” inzwischen durchaus einzuordnen weiß.
Wenn ich mir allerdings das bedingungslose Einssein aller Menschen mit dem einzig Einen bewusst mache und mich in diesem Bewusstsein mittels entsprechender Affirmationen verankere, erlebe ich durchaus Liebe im Sinne von Einssein, sowie Frieden und Angstfreiheit im Umgang mit Menschen. Das ist aber noch nichts Selbstverständliches in mir, die alten sozialphobischen Muster überlagern oftmals noch das, was ich als “meine” sog. wahre Natur durchaus bereits erfahren habe.
Verstehe ich Dich richtig, dass es für die vollständige Realisierung dieses All-Eins-Seins nichts zu tun und nichts zu lassen gibt? Momentan tendiere ich allerdings dazu, mich mit den oben erwähnten Affirmationen weiter darin zu üben, DAS zu realisieren, was ich bereits BIN.
Danke für alles und herzliche Grüße
Ich danke dir ebenfalls für die interessanten Fragen … und für das Ausgleichs-Angebot! Ich freue mich, dir zu antworten, es braucht keinen weiteren Ausgleich.
Danke auch für deine (und Eckhart Tolles) Definition von “Unterbewusstsein” bzw. “Schmerzkörper”! Die Vorstellung, die durch diese Begriffe suggeriert wird, ist: Da gibt es etwas Negatives, das am besten gelöscht werden sollte. Ohne Schmerzkörper, ohne Dämon, ohne quengeliges Kind wären wir besser dran.
In solchen Konzepten (oder auch “Teilpersönlichkeiten”, “Schatten” usw.) wird als Wesen beschrieben, was nur ein Mechanismus ist. Eine gelernte Reaktion, die in der Situation, in der sie gelernt wurde, als beste oder einzige Möglichkeit erschien, und im Licht aktueller Erfahrungen nicht mehr passt, weil andere Möglichkeiten erkannt wurden. Dieselben gelernten Tanzschritte, obwohl längst ganz andere Musik spielt.
So gesehen ist ein “Täterintrojekt” Modell-Lernen, das Lernen von Vorbildern. Zum Beispiel: Bestrafung als Mittel, unerwünschtes Verhalten abzustellen. Etwas, an das “eigentlich” gar nicht geglaubt wird, das aber weiter läuft, solange es nicht überprüft und / oder aktualisiert wird.
Ich habe noch einen Begriff, den ich statt “Unbewusstes / Unterbewusstsein” verwenden würde: Implizites Wissen. Das Wissen, das vorausgesetzt wird, ohne dass darüber reflektiert werden muss. Zum Beispiel das Wissen, wo du gerade bist. Ein anderes Beispiel: Mir ist nicht bewusst, welche Tasten auf der Tastatur links und rechts vom “P” liegen; trotzdem gibt es das implizite Wissen darüber, so dass ich diese Tasten “blind” benutzen kann, wenn ich sie brauche.
Und dieses “implizite Wissen” kann veralten durch neue Gegebenheiten, zum Beispiel wenn ich eine englische Tastatur benutze: Dann ist rechts neben dem “P” ein anderes Zeichen (das ich jetzt auch nicht weiß, aber bei Bedarf verwenden könnte).
Wenn das Verhaltens- oder Aufmerksamkeitsmuster, das abgerufen wird, dysfunktional ist (schmerzhaft, gewalttätig o.ä.), dann ist ein Update sinnvoll, eine Integration des Automatismus ins aktuelle Erleben.
Das kann, wie du schreibst, durch eine Affirmation geschehen, eine Bekräftigung dessen, was du inzwischen weißt /erkannt hast. Diese Affirmation oder Erinnerung kann zu einer neuen Ausrichtung der Aufmerksamkeit führen und damit zu einem aktualisierten Denken, Erleben, Fühlen, Verhalten. (Affirmationen können allerdings auch ein Versuch sein, das momentane Erleben zu leugnen und sich davon abzuwenden.)
Die Aktualisierung (das Update) kann darin bestehen, zu überprüfen, was im alten Programm vorausgesetzt war, zum Beispiel: Bin ich in einer feindlichen Umgebung? Gibt es etwas zu verteidigen oder aufrecht zu erhalten? Welche Bedingungen werden vom Muster gestellt? Bei dieser Überprüfung kann NLP helfen, oder auch “The Work” nach Byron Katie.
Das Update kann auch sein, mit neuen Augen zu schauen und sich dem aktuellen Erleben mit Forschergeist zuzuwenden: Was erlebe ich jetzt? Welcher Gedanke ist gerade im Spiel? Ist er ein Bild, eine Stimme, beides? Wie reagiert der Körper darauf? Was ist da sonst noch? … Ohne Verbot, das zu erleben, und ohne den Versuch, diejenigen zu bestrafen, die diese Gefühle scheinbar ausgelöst haben. Diese offene, freundliche Aufmerksamkeit für das aktuelle Erleben ist schon das Update, die Aktualisierung – und erfüllt den Wunsch nach liebevoller Zuwendung.
“Verstehe ich Dich richtig, dass es für die vollständige Realisierung dieses All-Eins-Seins nichts zu tun und nichts zu lassen gibt?”
Das All-Eins-Sein umfasst alles (wie der Begriff schon sagt) und schließt nichts vom Erleben aus. Auch z.B. das Gefühl, getrennt oder überfordert zu sein, darf im Erleben auftauchen. Lernen geschieht, wenn dieses Gefühl nicht isoliert erlebt wird, sondern im Zusammenhang mit den Bedingungen, die ans Erleben gestellt werden (wie es sich anfühlen soll, wie andere mir begegnen sollen …), als wären die Bedingungen wichtiger und das Einssein gerade nicht “Thema”.
Der Organismus ist angezogen vom Erleben des Einsseins, von Liebe. Er kann sich daran orientieren; Aufmerksamkeit und Verhalten können sich auf die Gegenwart der Liebe ausrichten, statt nur mechanisch und reflexhaft zu reagieren. Er erlebt die Weite, die darin liegt, und lernt. Oder er lernt: “So fühlt es sich an, diesen Gedanken und Bedingungen zu glauben” – und lernt aus dem Kontrast zwischen Enge und Weite.
Das ist übrigens ein Punkt, mit dem viele nicht einverstanden sind: In Advaita-Kreisen hat “Lernen” einen schlechten Ruf; das Wort klingt nach Arbeit und kann die Vorstellung mit sich bringen, noch nicht “am Ziel” zu sein, noch etwas erreichen zu müssen. Und es erweckt vielleicht die Vorstellung einer Zukunft, für die gelernt wird.
Ich spreche aber vom Lernen für “Jetzt”. Das Leben ist lernende Intelligenz, ganz ohne Zutun. Erleben ist Lernen, so wie ein Musiker lernt, wenn er einfach nur spielt … und dabei zuhört.
Dieses Lernen geschieht von selbst: ein Lernen aus Liebe zur Musik, zum momentanen Erleben. Lernen aus Liebe.
Hallo Dittmar,
Ich werde deine Mail wiederholt im Hinterkopf bewegen und dranbleiben an der Erforschung der Ich-Illusion …